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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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lustvoll-fatalistische Art, sich einfach treiben zu lassen. Menschen,
die der Karneval wieder herausgerückt hatte, kamen ihm verkatert entgegen. Für sie waren die tollen Tage vorbei, für ihn hingegen schienen sie erst zu beginnen. Unbewusst begann er das Lied, mit dem der Knabe ihn vorhin geweckt hatte, vor sich hin zu summen.
    Warum klopfte er jetzt nicht einfach bei Deborah an und ging mit ihr in die Fremde? Um ein neues Leben, sein ganz eigenes Leben, zu entdecken. Was hielt ihn davon ab? Feigheit?
    Plötzlich stand er vor der Taverne Cucciarello alla Scentarella di Piscivola, in der er sich zuweilen abends mit den Freunden traf. Die Kaschemme war natürlich zu dieser frühen Zeit noch geschlossen. Doch der Wirt öffnete gerade die großen Torflügel, um das Tonnengewölbe zu lüften. Prospero grüßte ihn und trat einfach ein. Er setzte sich an einen der Tische. »Einen Roten.«
    Der Wirt warf einen Blick auf den frühen Gast, dann setzte er sich zu ihm.
    »So schlimm, Dottore?«
    »Schlimmer noch, Gabriele.«
    »Dann rat ich Ihnen eines, trinken Sie keinen Wein am Morgen, gehen Sie zur Beichte, nehmen Sie ein Bad oder...«, er neigte sich zu ihm und senkte vertraulich die Stimme, »...wenn eine Frau helfen kann, weiß ich eine, verschwiegen und garantiert ohne Krankheit. Monsignore, ich geh auch manchmal zu ihr. Werd ich mir denn den Schwengel verbrennen wollen? Vorsicht ist das beste Mittel gegen die Franzosenkrankheit! Aber trinken Sie nicht. Sie gehören nicht zu den Tagedieben, die den Abend so blau erleben wie den Morgen.«
    Der Wirt hatte Recht. Flucht war kein Ausweg. Gabriele mochte ein Gauner sein, doch er war auch ein anständiger
Kerl, ehrlicher als all diese kurialen Heuchler. Ehrlicher selbst als dieser Heilige Vater. Und plötzlich lag es ganz klar und deutlich vor ihm. Dass er nicht gleich darauf gekommen war, wunderte ihn. Bei dem, was vor ihm lag, ging es doch gar nicht um Albani. Es ging noch nicht einmal um ihn, Prospero Lambertini. Ein Freund litt. Seine kleine Schwester wurde vermisst, und ein Ungeheuer jagte Mädchen, die der Stolz ihrer Familien waren. Wie viel Schmerz und Elend es doch gab. Wie viel Gewalt, ausgeübt von Scheusalen, die sich an Menschen vergingen, nur weil sie die Macht dazu hatten. Und er? Anstatt die Jagd zu beginnen, suhlte er sich im Selbstmitleid.
    Prospero knallte einen paar Münzen auf den Tisch und erhob sich.
    »Danke, aber ich muss keine Frau, ich muss ein Mädchen finden. Viele Mädchen!«
    Damit ließ er den verblüfften Wirt zurück und stand wenig später in Vellonis Wohnung. Weglaufen war keine Lösung. Er hatte eine Pflicht zu erfüllen.
    Velloni saß im Bett und starrte ungläubig auf den Grafen, der laut schnarchend auf den Dielen lag. Prospero wusste bereits von der Vermieterin, die ihn eingelassen hatte, das Cäcilia immer noch nicht zurückgekehrt war.
    »Da habe ich dir ja einen schönen Bewacher zurückgelassen.«
    »Habe ich nicht auch geschlafen? Wer ohne Sünde ist...«
    »Du gehst sehr freigiebig mit dem Wort um. Es ist keine Sünde, wenn man im Gewühl von jemandem getrennt wird.«
    »Dieser Jemand ist meine kleine Schwester.«
    »Ich weiß«, lenkte Prospero ein.
    »Warum hast du mich zwischen diesen Narren nicht sterben
lassen? Es heißt, die Narren kennen die Wahrheit. Und die Wahrheit ist, dass ich den Tod verdiene.«
    »Sterben kannst du immer noch. Aber jetzt musst du leben, denn deine Schwester wird dich brauchen, wenn wir sie gefunden haben. Und ich möchte beileibe nicht derjenige sein, der ihr dann sagen muss, dass ihr kleines Abenteuer den Bruder das Leben gekostet hat.« Prospero wies auf den immer noch schlafenden Valenti: »Und der da mit Sicherheit auch nicht.«

12.
    D as Badehaus reinigte seine Haut und beruhigte seinen Geist. Prospero genoss den heißen Dampf, der durch die Nase und den Mund in sein Inneres drang und auch vor den Ohrgängen nicht haltmachte. Wohin das Wasser nicht kam, dahin eilte der Dampf. Vor ihm hatte der Schmutz der Welt und der Menschen keinen Bestand. Er nahm hinterher noch ein kaltes Bad im Becken. Jetzt fühlte er sich wie neugeboren, bereit, den Kampf aufzunehmen. Spigola hatte nur bedingt Recht. Sicher, wenn man der Kurie diente, dann veränderte sie einen, diente man aber Gott, so wurde man von Gott geformt. Jeder besaß die Wahl, und dass sich mit der einen Option, den Machthabern zu gehorchen, scheinbar leichter leben ließ als mit der, Gott zu dienen, ließ er nicht als Entschuldigung

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