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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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möglicherweise die Kanonisation abzusichern, haben ihr in Wahrheit einen Bärendienst erwiesen. Der Papst mochte vielleicht von ihm fordern, dass er eine sehr wohlwollende Interpretation der dokumentierten Tatsachen vornahm, mit aller Spitzfindigkeit, zu der römische Juristen in der Lage waren, wenn es zu beweisen
galt, dass die Kuh eine Katze war, aber Fälschungen als Grundlage des Urteils zu akzeptieren, das konnte nicht einmal der Pontifex durchsetzen.
    Prospero freute sich. Zu dem, was er nun in die Wege leiten würde, war er sogar gesetzlich verpflichtet. Er befahl Kraft seines Amtes dem Archivar, die Akten unter Verschluss zu nehmen. Niemand durfte sie benutzen oder auch nur einsehen. Unter Zeugen würde morgen um 11 Uhr ein Fachmann, den der Archivar zu bestellen hatte, eine Expertise zum Zustand des Konvoluts abgeben.
    »Wer hat alles Zugang zu den Dossiers?«, fragte Prospero.
    »Der Papst, die Kardinäle und ich. Und natürlich die Auditoren, die mit einer Angelegenheit befasst sind, welche eine bestimmte Akteneinsicht erfordert.« Der Kreis war überschaubar, und es handelte sich ausschließlich um Personen der höchsten Ebene. Diese Erkenntnis bereitete ihm Unbehagen.
    »Halten Sie strengstes Stillschweigen über diese Angelegenheit. Zu niemandem ein Wort! Wenn dieses Verbrechen vorzeitig ruchbar wird, kann es Ihr Leben zerstören, Verehrtester. Seien Sie auf der Hut und schweigen Sie um Gottes willen!«, warnte er den Archivar. Sie wussten ja nicht, wer hinter diesem Verbrechen steckte, aber derjenige musste zumindest sehr mächtig sein, wenn er selbst oder seine Helfer entweder offiziell oder unbemerkt ins Archiv zu gelangen vermochten. »Denken Sie immer daran, Verehrtester, wir können niemandem trauen.« Dann verabschiedete er sich und trat auf den Kreuzgang hinaus.
    Prospero Lambertini hatte Witterung aufgenommen. Er konnte eine Affäre größten Ausmaßes geradezu riechen, denn kein gewöhnlicher Verbrecher wäre in der Lage, in
dem Archiv, das aus Tausenden von Akten bestand, das richtige Dossier zu finden. Er bedurfte kenntnisreicher Hilfe. Zudem musste der Fälscher die Usancen eines Kanonisationsverfahrens kennen, wissen, worauf es ankam, wenn er die Aktenlage entsprechend präparieren wollte. Schloss man den Archivar aus, kamen nur wenige dafür in Betracht.
    »Lambertini!«, riss ihn die Stimme seines Vorgesetzten plötzlich aus seinen Überlegungen. Überrascht blickte er über den Innenhof zur gegenüberliegenden Seite des Kreuzganges. Caprara winkte ihn zu sich.
    Neben seinem Vorgesetzten stand ein etwa fünfzigjähriger Kardinal, groß und schwammig. Hinter Brillengläsern blickten kleine trübe Stopfaugen träge aus einem teigigen Gesicht. Unter dem Birett zeigten sich weiße Haare. Die passten so gut zu ihm, dass der Einruck entstand, diese Inkarnation der Bürokratie sei bereits vollständig ergraut auf die Welt gekommen. Sich diesen Mann schwarzhaarig oder blond zu denken, erregte eher Heiterkeit.
    »Eminenz, das ist mein Mitarbeiter Dottore Prospero Lambertini.« Der Kardinal leckte sich kurz die Lippen.
    »Ah, der berühmte Lambertini. Gern verleihe ich meiner Überzeugung Ausdruck, dass die Heiligsprechung der seligen Elisabeth von Bartaszoly bei Ihnen in den besten Händen liegen wird, wie auch Seine Heiligkeit denkt, junger Freund.« Das war der reinste Kanzleistil, dachte Prospero verblüfft.
    »Ich habe mich mit dem Kardinalvikar gerade über den diesjährigen Karneval unterhalten«, erklärte Caprara. Der Kardinal, der vor ihm stand, war also Ganieri, schloss Prospero und musterte den Administrator Roms neugierig. Er konnte erkennen, dass der Kirchenfürst seinen wachen
Blick registrierte und als feindselig einstufte, weil es ihm an Unterwürfigkeit mangelte. In einem einzigen Blickwechsel, der nur wenige Sekunden dauerte, hatte sich ihr Verhältnis geklärt. Ganieri lächelte, indem er seine schlappen Mundwinkel hochzog, doch seine Augen blieben unbeteiligt.
    »Gottlob«, dozierte er, »hat sich unser von allen gebilligtes und begrüßtes Konzept, die Sbirren in einem vertretbaren Maße zurückzuziehen und die in ihren Rechten anerkannten Narren in eigener Verantwortung vor Gott feiern zu lassen, bestätigt. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Zahl der Gewalttaten bedeutend gesenkt werden konnte.«
    Kunststück, dachte Prospero, und fragte den Kardinalvikar: »Wie viele Verbrechen, Euer Eminenz, wurden denn registriert?«
    Mit dieser Frage hatte Ganieri nicht gerechnet.

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