Und stehe auf von den Toten - Roman
Sein Gesicht verhärtete sich. »Die genauen Zahlen werden wir natürlich erst in den nächsten Tagen besitzen, doch schon jetzt zeichnet sich ab, wie mir die Polizeipräfekten der betroffenen Rioni berichten, dass kaum Anzeigen bei ihnen eingegangen sind.«
»Natürlich«, antwortete Prospero in leicht sarkastischem Ton und bemühte sich, seine Empörung zu verbergen. Wenn man die Sbirren zurückzog und rechtsfreie Räume schuf, wurden viele Missetaten natürlich gar nicht erst aufgenommen. Bei wem sollten die Betroffenen sich denn melden, wenn niemand da war, bei dem sie Anzeige erstatten konnten?
»Vielleicht ist es Ihnen ja nicht recht, dass wir im Vergleich zu den Zeiten des Kardinals Carasoli bedeutende Fortschritte machen in der Verbrechensbekämpfung. Obwohl ich die Ablehnung nicht verstehen würde, denn schließlich waren Sie es, der entscheidend zu seinem Rücktritt
beigetragen hat, nicht wahr, Hilfsauditor? Dafür kann ich Ihnen im Übrigen nur von Herzen danken. Sie haben sich ewige Verdienste um die Sicherheit dieser Stadt erworben. Kommen Sie immer zu mir, wenn Sie Hilfe brauchen, meine Tür steht Ihnen offen.«
Damit verabschiedete sich Ganieri leutselig und charmant, nur seine Augen starrten böse aus dem teigigen Antlitz. Eine hinterhältige Bürokratenseele, erkannte Prospero, verbarg sich hinter der schieren Konturlosigkeit des Gesichtes. Unangreifbarkeit war bei diesem Kirchenfürsten Habitus geworden. Prospero nahm sich vor, auf der Hut zu sein.
Kaum hatte sich der Kardinal entfernt, da explodierte Caprara auch schon. »Wir hatten mal tatkräftige Leute in unseren Diensten. Leute, die eine Meinung hatten, die Risiken eingingen und nach ihren Überzeugungen handelten. Und jetzt? Eine Bande von Lügnern, Betrügern und Heuchlern, deren Kompass ausschließlich der eigene Vorteil ist. Hol sie doch alle der Teufel! Hast du gemerkt, wie der sich in seinen Worten ständig abgesichert hat? Und dabei sagt Jesus: Deine Rede sei ja, ja oder nein, nein, alles andere ist von Übel.«
Caprara errötete über seinen Wutausbruch und betete leise ein Vaterunser. Prospero ahnte, dass er das weniger zur Buße als vielmehr zur eigenen Beruhigung tat.
»Und was hast du Neues?«, wandte er sich schließlich wieder Prospero zu. In seinem Blick lag immer noch Wut, und er begann schnellen Schrittes den Palastausgang anzusteuern. Prospero folgte ihm und berichtete dabei von den manipulierten Akten. Capraras Tempo ließ nach, seine Gesichtsmuskeln entspannten sich zusehends, und seine Augen funkelten nicht mehr vor Zorn, sondern strahlten Ruhe
und Konzentration aus. Ihm war anzusehen, dass ihm diese Angelegenheit allmählich Vergnügen bereitete.
»Gefälschte Akten? Wenn wir das zweifelsfrei belegen, kann Albani nicht dagegen an. Sicher, er könnte auf uns und auf die Akten pfeifen und Elisabeth Bartaszoly aus eigener Machtvollkommenheit heiligsprechen. Schließlich ist er der Papst und hat in der Nachfolge Petri von unserm Herrn Jesus Christus die Gewalt zu binden und zu lösen empfangen. Aber durch eine solche Willkür würde er sich angreifbar machen. Es wäre ein zu offensichtlicher Rechtsbruch. Gefundenes Fressen für die Calvinisten und Lutheraner. Und nicht nur für die. Auch der französische König würde seine Bischöfe und Kardinäle gegen einen so großen Liebesdienst seinem Todfeind, dem Kaiser gegenüber Sturm laufen lassen.«
Sie hatten das prachtvolle, von Säulen und einem Tympanon eingefasste Eingangsportal erreicht. Caprara legte die Hand auf die Schulter seines Assistenten und senkte die Stimme. »Wenn wir dieses Spiel beginnen, dann richtig. Es ist höchste Zeit dafür. Wir können nicht länger die Augen verschließen vor diesen Missständen. Ich werde morgen auch im Archiv der Ritenkongregation erscheinen, um dem Vorgang größeres Gewicht zu verleihen. Vielleicht gelingt es mir sogar, einen Kardinal zu überzeugen mitzukommen. Noris vielleicht? Bring deinen Freund Velloni mit. Er genießt einen ausgezeichneten Ruf als Experte für alles Geschriebene. Außerdem kann es nicht schaden, einen Chemiker von der Sapienza dabeizuhaben. Ich lade Fra Arnaldo ein - er genießt an der Universität einen ausgezeichneten Ruf. Jetzt muss ich mich aber verabschieden. Ich habe noch eine Verabredung im Park. Vielleicht erfahre ich ja etwas, was uns weiterhilft.«
Damit machte der Auditor auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder im Innern des Quirinalpalastes.
Prosperos Blick fiel auf die beiden
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