Und stehe auf von den Toten - Roman
Walross mit hängendem Schnauzer und Glupschaugen, klopfte an, woraufhin sich ein kleines Fensterchen in der Tür öffnete. »Ich bringe Kundschaft«, brummte der Polizist, wobei sich ein paar Barthaare im Luftzug seines Atems bewegten. Prospero hörte, wie der Riegel zurückgeschoben wurde. Gleich darauf öffnete sich die Pforte und gab den Blick in einen schmuddeligen Vorraum frei, von dem links eine Treppe in die obere Etage führte. Möbliert war das Vestibül nur mit einer groben Holzbank und einem abgewetzten Tisch, auf dem eine Öllampe trist vor sich hin glummerte. Dem Eingang gegenüber versperrte eine massive Bohlentür die Sicht.
»Was bringst du uns da für ein Vögelchen? Ist der etwa echt oder nur ein Betrüger?«, fragte der dürre Gefängniswärter, dessen hohle Wangen teils von fettigen Strähnen verhangen wurden, grinsend. Er spielte auf Prospero Lambertinis Kleidung an, die diesen als Kirchenmann verriet.
»Was geht’s mich an? Nimm den Mann einfach auf Befehl des Kardinals Ganieri in Verwahrung und gut ist.«
Der Strick, mit dem Prospero gefesselt war, schnitt inzwischen schmerzhaft in seine Handgelenke. »Benachrichtigen Sie den Auditor Caprara, dass ich hier bin«, forderte Prospero.
Der Spacke schaute ihn jedoch nur mitleidig an. »Ich kann auch den heiligen Vater herbitten. Er ist nämlich ein Verwandter von mir. Wir stammen sozusagen beide von Adam und Eva ab.« Dann wandte er sich kichernd über seinen Scherz an die Sbirren. »Was soll ich mit dem komischen Vogel machen?«
Das Walross zuckte nur mit den Achseln. »Nichts. Einsperren und auf weitere Anweisungen warten.«
»Davon habe ich schon mehr als genug hier«, moserte der Wärter, bohrte anschließend genussvoll in der Nase, schaute sich das Ergebnis seiner Bohrung interessiert an und wischte sich schließlich die Finger an der Hose ab, bevor er die schwere Bohlentür aufzog. Prospero starrte in den geöffneten Höllenschlund.
»Na dann komm mal, Freundchen«, sagte der Wärter und rempelte seinen Gefangenen derb an. Mit dem Stoß hatte Prospero nicht gerechnet. Er geriet ins Stolpern und wäre beinah die fünf Steinstufen, die in die Unterwelt führten, hinabgefallen. Es gelang ihm gerade noch, im letzten Moment die Balance zurückzugewinnen.
Unten angekommen blieb er stehen. Die Decken waren so niedrig, dass er sich unwillkürlich ein wenig gebeugt hielt, um nicht zufällig mit dem Kopf das spinnwebenverhangene Gewölbe zu berühren. Als er noch einen Blick zur Tür zurückwarf, kam ihm unwillkürlich Dante in den Sinn. Wie hatte doch der Florentiner sein großes Gedicht, die Göttliche Komödie, eröffnet:
»Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer,
Durch mich geht man in der Verlorenen Zelle,
Durch mich geht man zum Leiden ewiger Dauer,
... Lasst jede Hoffnung, die ihr mich durchreitet.«
Er benötigte einen Moment, bis sich seine Augen an das
Halbdunkel gewöhnt hatten. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er ein Stadtgefängnis von innen. Nur leider nicht aus dem Anlass einer Besichtigung.
Dante hatte Recht: Wenn man die Pforte zur Hölle durchschritt, ließ man alle Hoffnung hinter sich. Die feuchten Kellermauern waren bedeckt von Moos und Dreck, selbst die Luft fühlte sich schmutzig an. Gitter teilten in dem großen Saal Gemeinschaftszellen ab, die etwa zwanzig mal zehn Fuß maßen. Die Insassen, die sich jetzt neugierig zum Gitter drängten, wirkten wie die Attraktionen einer Monstrositätenschau oder wie die Ausstellungsobjekte im anatomischen Theater. Ihre Mienen waren so starr und unbelebt wie Masken. Spärliches Licht von den vergitterten Fenstern, die sich kurz unter der Decke befanden, und ein paar flackernde Fackeln an den Wänden beleuchteten den schmuddeligen Raum mehr schlecht als recht und modellierten mit ihren kräftigen Schatten die derben Gesichter nach.
Der Gestank von Fäkalien, Erbrochenem und menschlichen Ausdünstungen raubte Prospero fast den Atem. Alle Gerüche der Hölle hatten sich hier versammelt, der Mief der Armut und Gemeinheit. Auf die Schnelle geschätzt mochten zwanzig bis dreißig Menschen in einer Zelle zusammengepfercht worden sein.
Der Wärter schloss nun eine davon auf, band Prospero die Arme los und schob ihn hinein. »Lass dir gar nicht erst einfallen, zu rufen oder zu brüllen! Essen gibt es heute nicht mehr.« Dann schloss er die Tür hinter ihm.
Gefangen, eingekerkert. Mit vielem hatte Prospero heute Morgen gerechnet, aber damit nicht. Er glaubte sich
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