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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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mit der Untersuchung. Verstanden?«
    »Ja, Auditor. Aber was in Gottes Namen ist denn vorgefallen?«
    »Spigola ist tot!«

16.
    P rosperos war immer noch fassungslos. Sein Verstand weigerte sich zu akzeptieren, dass der Untersuchungsrichter Spigola tatsächlich tot sein sollte. Keine vierundzwanzig Stunden lagen zwischen ihrem letzten Gespräch. Und jetzt stand er zwischen dem Pathologen Professor Fermi und dem jüdischen Arzt Benjamin im anatomischen Theater der römischen Universität und wartete auf den Leichnam des Kollegen, um der Obduktion beizuwohnen und Protokoll zu führen.
    Große Fenster sorgten dafür, dass ausreichend Licht in den trichterförmigen Saal fiel. Wenn Vorlesungen in Anatomie und Pathologie gehalten wurden, saßen die Studenten auf den nach oben ansteigenden Reihen im Halbrund. Wie bei einem antiken Theater lag die Bühne, auf der für alle sichtbar Leichen seziert wurden, mittig in der Tiefe. An den Enden der Bankreihen standen Holzeimer für die empfindlicheren Gemüter unter den Erstsemestern.
    Die Tür wurde von einem Wagen aufgestoßen, auf dem von zwei Universitätsdienern der tote Körper des alten Auditors hereingefahren wurde. Sein Leib wirkte aufgequollen und bleich. Und er stank so sehr, dass Prospero schlecht wurde und er kurz erwog, einen der Eimer zu benutzen, um sich Erleichterung zu verschaffen.
    »Der faulige Geruch rührt von den Leichengasen«, kommentierte Benjamin. Prospero kämpfte tapfer gegen die Übelkeit an. »Ich will alles wissen, was ihr herausfinden könnt«, sagte er, um von seinem höchst unprofessionellen Unwohlsein abzulenken.
    Fermi verzog nur das Gesicht über die Ignoranz des jungen
Untersuchungsrichters, würdigte ihn aber keiner Antwort. Der Anatom war berühmt und gefürchtet dafür, dass seine wissenschaftliche Neugier keine Grenzen kannte.
    »Keine Sorge, Prospero«, versicherte Benjamin, um Prospero Lambertini nicht bloßzustellen.
    Das war heute bereits die zweite Analyse, der Prospero beiwohnte, denn sie hatten am Vormittag das Alter der Akten im Fall der Heiligsprechung der seligen Elisabeth von Bartaszoly untersucht. Und sie hatten tatsächlich festgestellt, dass einige Bögen und auch die Tinte auf diesem Papier nicht älter als ein Jahr, eher jünger, waren, wie bereits der Archivar am Vortage vermutet hatte. Genaueres ließ sich ohne langwierige Analysen nicht ermitteln, zu denen Arnaldo und auch Bianco Bertollini verpflichtet worden waren. Prospero sollte nun die Inhalte der Dokumente in Abhängigkeit zu ihrer Entstehungszeit stellen, um daraufhin ein Memorandum für die Ritenkongregation und für den Papst zu verfassen, denen er die Expertisen als Appendixe beifügen würde.
    Der sonst so diplomatische Caprara kannte nun kein Halten mehr. Er war zornig, und Prospero gegenüber machte er diesem Zorn auch Luft. Ein Bubenstück nach dem anderen spielte sich vor seinen Augen ab! Erst sollte er hinsichtlich des Dossiers getäuscht werden, und als ob das nicht genügte, hatte man den Auditor Spigola getötet, bei dem einst der junge Alessandro Caprara nach Abschluss seiner Studien in die Lehre gegangen war. Freilich hatte Prospero das erst jetzt von seinem Vorgesetzten erfahren. Der stinkende Kadaver dort war also einmal der Lehrmeister, der dem Jungsporn Caprara das Einmaleins des Untersuchungsrichters beigebracht hatte. Wie klein doch die Welt war.

    Die blasiert näselnde Stimme Fermis riss Prospero aus seinen Gedanken. »Was wir hier an den Händen sehen, sind Schnitte, die typisch für die Abwehr eines Messerangriffs sind. Wir werden jetzt dem Toten die Kleidung ausziehen, um den Leichnam auf anatomische Besonderheiten hin zu untersuchen, nach Leichenflecken und weiter nach Zeichen äußerer Gewalteinwirkung...« Weiter kam der Professor mit dem Kommentar seiner Beobachtungen nicht. Denn in diesem Moment wurde erneut die Tür aufgestoßen, und zwölf Sbirren marschierten ein. Das Klappern der Stiefel auf dem Steinboden, ihre Helme, ihre Bewaffnung wirkten wie eine Entweihung der Ruhmeshallen des Geistes. Niemals zuvor hatten es die Sbirren gewagt, die Sapienza zu betreten, weil die Universität eine eigene Gerichtsbarkeit besaß. Ihre Anwesenheit bedeutete nichts weniger als einen Rechtsbruch und zudem eine unerhörte Provokation. Wären genügend Studenten in der Universität anwesend gewesen, dann hätten sie die dreisten Polizisten einfach verprügelt und aus den Fenstern gleichgültig welchen Stockwerks geworfen. Niemand wäre dafür

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