Und stehe auf von den Toten - Roman
eine der schmachvollsten Niederlagen seines Lebens beigebracht. Zwar hatte lange kein Feuer mehr auf dem Campo dei Fiori gelodert, aber das hieß nicht, dass es nicht irgendwann mal wieder Zeit für eine kleine Ketzerverbrennung sein könnte.
20.
W enn er überleben wollte, musste er sich Respekt verschaffen, jetzt, wo sein Retter weg war. Prospero hielt das Messer vor sich und blickte seine Mitgefangenen herausfordernd an. Wer ihm Übles wollte, sollte sich erheben. Es war riskant, doch er setzte auf seinen geistlichen Stand. Er wusste, wie der Poppolo dachte. Der junge Geistliche, der noch dazu jetzt mit einem Messer bewaffnet war, kam ihnen unheimlich vor, zumindest als ein Quell an Ärger, von dem jeder hier schon genug hatte. Mit den hohen Herren konnte es auch ganz schnell wieder anders kommen. Heute eingesperrt, morgen in Purpur gewandet. Aus den Intrigen der Oberen hielt man sich besser raus. Man gewann dabei selten etwas, verlor aber nur allzu oft alles, weil es immer eines Sündenbockes bedurfte.
Prospero beschloss, das Beste aus seiner Situation zu machen, indem er seine Zwangslage für seine Zwecke nutzte. Wenn ein teuflischer Verbrecher auf Roms Straßen sein Unwesen trieb, wusste man nirgends besser als im Gefängnis darüber Bescheid, denn in der Langweile des Arrestes sammelten sich die Nachrichten von draußen. Die Mentalität seiner Mitgefangenen würde Prospero hierbei zum Vorteil gereichen: Selbst in der Welt der Verbrecher existierte eine gewisse Normalität. Was an Gemeinheit und Brutalität darüber hinausging, erschreckte den gewöhnlichen Kriminellen.
Der Hilfsauditor stellte sich in die Mitte der Zelle. »Hört mir zu!«, rief er laut in die Runde. »Ich will, dass ihr mir helft! Keiner wird es bereuen. Euch erwartet eine Belohnung!« Er wartete darauf, dass sich die Häftlinge ihm zuwandten.
Prospero spürte, dass er ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, auch wenn sie sich noch vorsichtig zurückhielten.
Spigola war tot, er musste keine Rücksicht mehr nehmen. Der Mord an dem alten Untersuchungsrichter entband ihn von dem Verspechen, das er ihm gegeben hatte.
»In Rom verschwinden blutjunge Mädchen. Der Auditor Spigola, den der ein oder andere hier kennen dürfte, wurde getötet, weil er den Fall untersucht hatte...« Weiter kam er nicht, denn die Nachricht vom Mord an dem alten Untersuchungsrichter, den viele hier kannten, löste heftige Reaktionen aus, die von Freude bis Bedauern reichten. Prospero hatte alle Mühe, eine Prügelei zu verhindern, die zwischen denjenigen, die den Tod des Auditors bejubelten, und denen, die ihn beklagten, auszubrechen drohte. Mancher verzieh ihm nicht, dass er ihn hierher gebracht hatte, andere fanden, dass der Alte ein gerechter Mann gewesen war. Das konnte man von vielen seiner Kollegen nicht behaupten.
Prospero hob die Stimme, um die lärmenden Gefangenen zu übertönen. »Wen von euch der Raub der Mädchen nicht aufregt, der gehört zum Drecksgesindel und soll hier für alle Ewigkeit vermodern wie ein Tier, weil er ein Tier ist. Aber wer trotz seiner Verfehlungen tief im Herzen drin noch ein Mensch ist, muss mir helfen! Und ich werde ihn dafür belohnen, weil es für den, der noch ein Mensch ist, nicht zu spät ist, auch wenn er gesündigt hat. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten, sagt Jesus, unser Herr.«
»Haben Sie etwa nicht gesündigt, Hochwürden, wenn Sie hier sind?«, fragte einer, der sich in einer dunklen Ecke verbarg.
»Gesündigt habe ich, wie jeder Mensch sündigt, aber nichts war darunter, was meinen Aufenthalt hier rechtfertigt. Und wie jeder Christ habe ich meine Sünden gebeichtet und Vergebung gefunden. Aber darum geht es hier nicht. Die Verbrecher, die nicht wollen, dass ich ihnen das Handwerk lege, haben mich hierher gebracht. Aber wahrlich, ich sage euch, noch bevor der Hahn kräht, werde ich das Gefängnis wieder verlassen haben! Und dann Gnade ihnen Gott, denn ich werde ihnen weder Schonung noch Vergebung angedeihen lassen.«
»Große Töne! Erstmal müssen Sie hier rauskommen, Hochwürden.« Prospero sprang zu dem dürren Spötter mit dem großen Adamsapfel und hielt ihm blitzschnell das Messer an die Kehle.
»Zweifele noch einmal an meinen Worten, und deine Seele wird in der Hölle meiner Befreiung zuschauen.«
»Ist ja schon gut, man wird ja wohl noch einmal einen Scherz machen dürfen.«
Prospero ließ den Spötter los und blickte ruhig um sich. »Noch jemand, der Lust auf Späße hat? Mein
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