Und stehe auf von den Toten - Roman
Messer lacht gern mit!« Durch entschlossenes Handeln hatte er den Respekt der Gauner, Diebe und Mörder gewonnen. Er hasste es, wenn er den Zornigen geben musste, aber er wusste inzwischen aus Erfahrung, dass ein guter Untersuchungsrichter wie ein guter Schauspieler die ganze Klaviatur menschlicher Ausdrucksformen beherrschen musste. Jetzt durfte er nicht mehr lockerlassen. »Also, wer hat den Mut, mir zu helfen?«
Ein Grauhaariger mit einer gebrochenen Nase stand auf. »Wer sagt uns, dass Sie nicht im Dienst der Bestie stehen?«
»Ich sage es dir, ich, Dottore Prospero Lambertini.«
»Ich kenne ihn. Ich kenne ihn!«, jubelte ein anderer. »Ihr
müsst euch doch an ihn erinnern. Er hat den Mörder des kleinen Angelo zur Strecke gebracht!«
»Ja, natürlich, das Schwein, das den Sohn des Fischers Giovanni abgemurkst hat!«
Das erstaunte Prospero. Selbst der menschliche Abschaum, der hier versammelt war, achtete ihn, weil er dafür gesorgt hatte, dass auch armen Menschen Gerechtigkeit widerfuhr.
»Gut, Dottore Lambertini«, lenkte der Grauhaarige ein, »seit einiger Zeit entführt also ein Teufel die schönen Töchter des Poppolo. Unseren ganzen Besitz. Unsere Töchter sind Freiwild. Ja, wenn es die Töchter der Reichen wären, würde jeder Stein in Rom nach ihnen umgedreht, aber wer kümmert sich schon um unsere Kinder?«
»Ich, ich kümmere mich um sie. Werden sie in ganz Rom geraubt?«
»Soviel ich weiß nur in Monti, in Pigna, Parione, Regola, San Angelo und San Eustachio.«
»Niemand aus Trastevere? Aus dem Borgo?«
»Nein, nur diesseits des Flusses.«
Zwar vermochte er dieses Detail noch nicht einzuordnen, aber er merkte es sich.
»Sie hätten den Polizeipräfekten von San Angelo danach fragen können. Er weiß es doch besser als wir hier. Drei Mädchen sind allein aus seinem Rione verschwunden.«
»Der Präfekt war hier?«, fragte Prospero überrascht.
»Ja, das Schweinchen, das Schweinchen, das gerade den Cavaliere abgeholt hat, abgeholt hat«, ahmte ein habichtnasiger Spötter die eigentümliche Sprechweise des Polizeipräfekten nach. Er imitierte ihn so gut, dass er damit nicht wenige zum Lachen brachte.
Der Österreicher war also von einem Polizeipräfekten
persönlich aus dem Kerker befreit worden. Das fand Prospero interessant. Er nahm sich vor, dem Mann einen Besuch abzustatten, sobald er das Gefängnis verlassen hatte. Doch jetzt wollte er die Quelle, die nun einmal zu fließen begonnen hatte, auch nutzen. »Die Opfer sollen sittsame Mädchen sein?«
»Aber ja doch. Aus dem Grund verschwanden sie ja auch am hellen Tage. Oder glauben Sie, dass ein Vater seine Tochter am späten Nachmittag noch allein auf die Straße lässt? Mancher lässt sie ohnehin nicht allein in die Öffentlichkeit. Geholfen hat das wenig.«
»Dottore! Die Mädchen, die Sie abends noch allein auf der Straße treffen, sind käuflich. Worauf Sie einen lassen können!«, krähte ein anderer.
Der mit dem großen Adamsapfel geiferte nun: »Schweigt doch, ihr Narren, sonst holt uns alle der Teufel!«
»Wieso der Teufel?«, hakte Prospero nach.
»Denken Sie doch mal nach, Dottore. Wer hätte denn die Macht, diese Mädchen, die unter Aufsicht ihrer Eltern stehen, mitten am Tage zu entführen? Nichts auf der Welt ist gefährlicher als ein guter römischer Hausvater, der die Ehre seiner Tochter bewacht. Ohne Zauberei ist das nie und nimmer abgegangen. Nie und nimmer, ich sage es euch«, erklärte der Grauhaarige.
»Von einigen, die weg sind, kann man auf das Kreuz schwören, dass ihre Familien die jungen Dinger wie ihre Augäpfel gehütet haben!«, rief einer aus dem Dunkel der Zelle.
»Wer also außer dem Teufel würde das zustande bringen?«, fragte der mit dem großen Adamsapfel Zustimmung heischend.
»Ist denn eins dieser Mädchen wieder aufgetaucht, zumindest ihre Leiche?«, fragte Prospero weiter.
Stille breitete sich aus. Er hatte den Punkt berührt, der sie alle ängstigte, vom Taschenspieler bis zum abgebrühten Meuchelmörder. Fast konnte Prospero ihre Gedanken hören, ihre Zweifel, ob sie reden oder besser schweigen sollten, denn eine alte Volksweisheit besagte, dass der Satan den holt, der über seine Taten spricht. Prospero ließ ihnen die Zeit, mit sich ins Reine zu kommen.
Nach einer Weile rang sich der Grauhaarige zu einer Antwort durch: »Nein! Von keiner eine Spur!«
Furcht lag in seinem Blick. Dass jemand ermordet wurde, entsprach ihrer Erfahrung, auch dass er gequält oder vergewaltigt wurde. Aber
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