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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Besetzung gegeben.«
    Der Kardinal beschrieb dem Gesandten schwelgerisch seine Dichtung, während sie den Flur entlangwandelten, als befänden sie sich auf einer Bühne.
    Caprara sah den beiden kurz nach, dann stürmte er, ohne auf den Kammerdiener zu achten, in den Audienzsaal. Klemens XI. näherte sich im Gespräch mit dem geheimen Sekretär der Breven dem Ausgang auf der gegenüberliegenden Seite der Sala Regia. Öllampen und Kerzen tauchten den langgestreckten Saal in ein warmes Licht. Der Audienzsaal gehörte schon bei Sonnenlicht nicht zu den hellsten des Palastes, aber wenn schwarze Regenwolken aufzogen, entstand in dem dunklen Saal schnell so etwas wie Weltuntergangsstimmung. Der vergoldete Deckenstuck und die dunkel gehaltenen Wände taten ihr Übriges. Caprara, der den Papst entschwinden sah, griff in seiner Not zu einem Mittel, das die Etikette schwer verletzte. Er brüllte: »Eure Heiligkeit, Eure Heiligkeit, ich muss Euch unbedingt sprechen.«
    Der Papst drehte sich zunächst verärgert um - den Pontifex
rief man nicht wie irgendeinen Bauernburschen - und musterte den Auditor dann mit einem mitleidigen Blick.
    »Wurdest du mit Schmutz beworfen, Caprara?«
    »Nein, Eure Heiligkeit, ich bin ausgerutscht...«
    »... und gefallen«, ergänzte der Papst und fügte missbilligend hinzu: »Da du dich nicht angemeldet hast, muss es ja sehr dringend sein.«
    »Das ist es in der Tat.«
    Der Pontifex machte dem Brevensekretär ein Zeichen, dass er sich entfernen konnte, dann wandte er sich wieder Caprara zu.
    »Sprich, aber schnell.«
    »Auf Befehl des Kardinals Ganieri wurde mein Hilfsauditor Prospero Lambertini verhaftet und in den Stadtkerker zum Lumpengesindel geworfen.«
    Albani verdrehte die Augen. »Immer dieser Lambertini.«
    Dann befahl er, dass man unverzüglich den Kardinalvikar herbeischaffen sollte und ließ sich inzwischen von Caprara über das Vorgefallene, begonnen mit der widerrechtlichen Konfiskation der Leiche Spigolas, unterrichten.
    Wenig später stand Ganieri gut gelaunt vor dem Papst und begrüßte auch den Auditor ausgesucht freundlich. Klemens XI. setzte seinen Vikar über Capraras Beschwerde kurz in Kenntnis, verschwieg aber die Verhaftung des Hilfsauditors, und bat um Aufklärung bezüglich des Leichnams Spigolas.
    »Nichts lieber als das«, leitete Ganieri seine Stellungnahme ein. Caprara witterte Gefahr. Der Kirchenfürst schien bestens vorbereitet zu sein. Er verlieh seinem Gesicht einen unnachahmlich schmerzlichen Ausdruck. »Denn es ist eine große Last, die auf meiner Seele liegt, und ich ersuche Euch, Heiliger Vater, Nachsicht mit einer armen sündigen
Seele walten zu lassen, die nicht mehr unserer Gerichtsbarkeit untersteht. Und Sie, mein lieber, guter Caprara, bitte ich über das, was Sie jetzt hören werden, zu schweigen. Für das Andenken des verstorbenen Auditors Alfredo Arcimboldo Spigola, der sich so große Verdienste erworben hat, wäre es nur gut, wenn wir die Decke barmherzigen Schweigens über seine dunkle Seite und die höchst bedauerlichen Umstände seines Todes breiten würden. Denn der verdienstvolle Mann litt in der Tat unter einer düsteren Leidenschaft, die sein Leben verschattet und es ihm schließlich genommen hat.«
    »Was war mit ihm?«, fragte Klemens ungeduldig. Darauf schien der Vikar nur gewartet zu haben. Caprara glaubte immer mehr einer Schmierenkomödie beizuwohnen, in der man ihm die Rolle des einfältigen Pantalone zugedacht hatte. Ganieri hatte unterdessen einen Ausdruck erschrockenen Bedauerns auf sein teigiges Gesicht gezaubert. Wie er das nur so perfekt hinbekam, ein echter Tartuffe, dachte Caprara in einer Mischung aus Verachtung und Bewunderung.
    »Wie soll ich es, wie kann ich es sagen? Nur zu gern schwiege ich von dem Abgrund, der sich mir auftat. Der Auditor begeisterte sich für die kleinen Jungs bei weitem mehr, als es seinem Seelenheil zuträglich war. Und so war er leider am Colosseum und an den Caracalla-Thermen, wo sich die kleinen sündigen Knaben feilbieten, nur allzu bekannt. Onkel Panflöte nannten sie ihn dort nur.«
    Caprara schloss gequält die Augen. Dass dieser schmierige Bürokrat es wagte, das Andenken seines Lehrers in den Schmutz zu ziehen, stach ihm mitten ins Herz. Dazu besaß er kein Recht - aber offensichtlich die Macht. Jedes Wort glich einem glühenden Draht, den man durch seine
Adern zog. Ganieri fuhr indessen unbeirrt fort. »Deshalb unterdrückte ich ausnahmsweise eine Untersuchung...«
    »Ausnahmsweise?«, brüllte

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