Und stehe auf von den Toten - Roman
selbst der entstellteste Leichnam tauchte irgendwann einmal wieder auf und brachte die Angelegenheit zum Abschluss.
»Könnten sie nicht entführt und in die Sklaverei verkauft worden sein?«, mutmaßte Prospero.
»Nee«, hustete ein wettergebräunter, kräftiger Typ.
»Warum nicht?«
Der Wettergebräunte lächelte nachsichtig. »Wir Schmuggler wüssten es als Erste, wenn ein solches Unternehmen ablaufen würde. In ganzen Teilen haben die Mädchen Rom bestimmt nicht verlassen!«
»Njet... Neeein?«, brüllte eine dunkle Männerstimme aus der Tiefe der Zelle. »Nix Leiche von nix Mädchen?«
Der Mann mit dem schweren slawischen Akzent hatte sich erhoben und trat nun verwirrt zu Prospero vor. Struppig wie Antonius, der Vater der Mönche, dachte Prospero. Der Mann trug ein langes Gewand, das einmal schwarz gewesen sein musste; nun wirkte es eher grau. Sein Gesicht war kaum zu erkennen, so sehr hatten es Haar- und Bartwuchs überwuchert. Um seinen Hals hing ein orthodoxes Kreuz. Ein Grieche? Es lebten einige Griechen in Rom, die
vor den Türken geflohen und sich hier niedergelassen hatten. Aber sein Akzent klang nicht danach. Ein Serbe? Ein Bulgare? Oder ein Russe? Prospero fragte sich, was den Orthodoxen hierher verschlagen hatte. Dieser streckte ihm nun bittend seine zitternden Hände entgegen.
»Muss weg! Schnell weg von hier! Du mir helfen und ich rede?«
»Warum bist du hier?«
Der Orthodoxe stieß nur verächtlich die Luft zwischen den Zähnen aus. »Ist das wichtig? Nein! Wichtig, was ich dir sage! Oschen ocobjeno. Die Stadt ist verflucht! Verflucht!«, dröhnte sein Bass und ließ den ganzen Kerker verstummen. Selbst in der letzten Ecke der fernsten Zelle verstummten die Gespräche, und die Gefangenen drängten sich zum Gitter, um das Gespräch mitzubekommen. Ein Raunen schwappte durch den Kerker. Verflucht? Sie wollten wissen, was der Pope damit meinte, denn sie spürten auf einmal, dass es sie alle anging.
»Hilf, dass er freikommt«, bat der Grauhaarige. »Der Pope ist nur ein ehrlicher Mörder. Er hat beim Spiel einen erschlagen. Na und? Keine große Sache. Schauen Sie ihn sich an, Dottore, er ist kein Mann, der sich vor einem Fliegendreck fürchtet.«
Prospero gab dem Grauhaarigen innerlich Recht. Der Orthodoxe wirkte in der Tat nicht wie ein Angsthase; auch schien er ihm nicht einfach etwas vorzugaukeln, nur um dem Kerker zu entrinnen. Der Mann fürchtete wirklich um Leib und Seele.
»Einverstanden, aber jetzt sag, was du zu sagen hast.«
»Satan schickt Seuche. Sie geht aus von Diener.«
»Was für ein Diener?«
»Vampir, Upir!«
»Vampir - was meinst du damit?«
»Ungeheuer, Diener von Satan. Vampir trinkt Blut von Mensch.«
»Also bitte, das ist doch der reinste Aberglaube!«, entgegnete Prospero Lambertini streng. »Für Ammenmärchen lassen wir dich nicht laufen!«
Doch der Pope ließ sich nicht von seiner Überzeugung abbringen.
»Nix Skaski. Eto prawda. Hast du Leiche gefunden?« Prospero schüttelte widerwillig den Kopf.
»Ich sagen Dir, warum. Potomu schto! Vampir überfällt Mensch, trinkt Blut, Mensch wird Vampir. Alles in Serbien passiert. Ich gesehen. Nix Leiche, dafür neuer Vampir. Ich sagen, eine Seuche! Radi boga! Werden mehr Menschen verschwinden und so mehr Vampire in Rom sein. Stadt voll Vampire!«
21.
A us dem traumlosen Schlaf der Erschöpfung weckten Cäcilia flehende Laute, leise wie ein Hauch. Es wunderte sie, dass dieses Flehen in die Tiefen ihres Schlafes vorgedrungen war. Es bat nicht um Rettung, sondern verlangte nur kraftlos am Ende eines Leidensweges, dass es endlich vorüber sein sollte und Gott, der Herr die misshandelte Kreatur aufnehmen würde. Dann war Stille. Eine unheimliche Ruhe.
Cäcilia war, als sei die Zeit stehen geblieben. Dem Schweigen folgte ein einziger Seufzer, so leise, dass man ihn hätte überhören können, kein Ruf und kein Schrei, und doch ging er ihr durch Mark und Bein. Denn was sie vernommen hatte, war die Seele eines Menschen, die auf dem letzten Atem den Körper verließ.
»Zu früh, zu schnell!«, schimpfte ein Mann. »Die Dinger halten nichts aus. Zu schlecht ernährt. Wir müssen gründlicher auswählen. Ach, schafft mir den Kadaver aus den Augen! Sein Anblick deprimiert mich.«
Jetzt erinnerte sich Cäcilia, dass sie die Stimme schon einmal gehört hatte, in der Nacht, als sie entführt worden war. Sie schloss wieder die Augen aus Furcht, dass man sie töten würde, wenn ihre Entführer sie für eine Zeugin der
Weitere Kostenlose Bücher