Und stehe auf von den Toten - Roman
vor und tätschelte ihm die Wange, wie man einem Pferd begütigend den Hals klopfte: »Keine Sorge, mein guter, lieber Ignaz. Ich reite mit einem Priester. Was soll mir schon passieren? Gott ist mit uns.«
Valenti rechnete fast damit, dass der Reitlehrer zum Dank für die Streicheleinheit wiehern würde. Dann fragte er sich erneut, ob die Anspielung auf Gott ernst gemeint oder ein Scherz war. Aber mit Gott spaßte man nicht. »Der Herr ist mit jedem Menschen, Gräfin«, belehrte er sie.
»Natürlich, mon cher. Ein aufregendes Leben, mit jedem zu sein, finden sie nicht? Nur Gott kann das verkraften.« Mit diesen Worten ließ sie sich von dem Reitlehrer in den Sattel heben und gab ihrer Stute die Sporen. Hinter ihr spritzte nur noch der Schmutz in die Höhe. Valenti sprang aufs Pferd und gab seinem Rappen die Sporen. Er hatte den Eindruck, als bestünde zwischen der Gräfin und ihrem Reitlehrer eine etwas zu große Vertraulichkeit. Es konnte nicht schaden, auf der Hut zu bleiben. Das scharfe Tempo zwang ihn, sich zu konzentrieren. Sie jagte dahin, als trüge sie den Teufel im Leib. Wozu brauchte diese Frau eigentlich noch einen Reitlehrer?
Zuerst ging es im Galopp die Via Giulia hinunter. Die wenigen Menschen, die trotz des Regens unterwegs waren, mussten zur Seite springen und wurden dennoch vom Dreck, den die Pferdehufe aufwarfen, getroffen. Angesichts der hochadeligen Dame schluckten die Beschmutzten die Flüche lieber hinunter.
Valenti gewann Gefallen an dem Galopp. An dem Regen.
An dem Tempo! Was für ein Weib! Teufel auch! Wieder forderte sie ihn heraus.
Inzwischen jagten sie bereits über die wunderbar gebogene Tiberbrücke, die nach Papst Sixtus IV. Ponte Sisto getauft worden war, hinüber nach Trastevere. Das Donnern der Hufe auf dem Brückenpflaster hatte etwas Unheilvolles, Schicksalhaftes. Wo wollte sie nur mit ihm hin? Er kannte immer noch nicht das Ziel ihres Ausrittes. Der gestreckte Galopp hinderte ihn allerdings daran, sie zu fragen. Er versuchte, sie einzuholen. Doch erst hielt sie sich rechts, dann wieder links. Endlich zog er mit ihr gleich.
»Wo reiten wir hin?«, brüllte er aus Leibeskräften. Sie schaute ihn fragend an. Im gleichen Moment blies ihr eine Böe den Hut vom Kopf, und ihr Haar flatterte befreit im Wind.
»Wohin?«, rief er wieder.
Sie antwortete ihm, doch er verstand sie nicht, hörte nur aus dem prasselnden Regen und dem Wind etwas heraus, das so klang wie: »Wie Ina«. Er schüttelte den Kopf. Kurz sah sie nach vorn, wandte sich ihm aber sofort wieder zu. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, sie gestikulierte und schrie. Valenti folgte ihrem Blick. Kurz vor ihm versperrte ein Ochsenkarren, der quer stand, seine Straßenseite. Zu nah, um das Pferd noch anhalten zu können. Ausweichen war unmöglich, denn links standen Häuser, und rechts ritt sie. So richtete sich Valenti im Sattel auf und trieb den Hengst an. Er kannte den Rappen, den er ritt, nicht. Er hoffte, dass er weder scheute, noch ausrutschte, sondern einfach kräftig genug für das tollkühne Unterfangen war. »Madonna Mia«, betete er, während er zum Sprung ansetzte und auf dem Rücken des Tieres der Schwerkraft trotzend über den hohen Ochsenkarren flog. Er lag jetzt dicht am
Hals des Hengstes und spürte dessen Leben, dessen Kraft, die über alle Widerstände siegte. Er war ganz eins mit dem Tier. Schon kamen sie hinter dem Karren wieder auf dem Straßenpflaster auf. Er zog an den Zügeln, tätschelte ihm den Hals und sagte fast zärtlich: »Halt, mein Guter, halt, brrrr.«
Der Rappe schnaubte und wieherte. Stolz reckte er seinen Kopf und tänzelte auf der Stelle. Die Gräfin klatschte begeistert in die Hände.
»Wissen Sie, was sie gemeinsam haben, Leonidas und Sie?«
Der Graf schüttelte den Kopf.
»Sie kommen beide aus einem guten Stall!«, rief sie. Ihre Augen strahlten vor Vergnügen und vor Bewunderung.
»Verkaufen Sie mir Leonidas, Gräfin! Ich muss ihn haben«, rief Valenti voller Übermut. Sie hatten einander das Leben gerettet, Leonidas und er.
»Degoutant! Sie müssen mich mit einem Pferdehändler verwechseln, Graf!«, entgegnete sie entrüstet. »Aber vielleicht schenke ich Ihnen das Tier.« Erneut gab sie ohne Vorwarnung ihrem Pferd die Sporen, und er wusste immer noch nicht, wohin der Ausritt ging, nur dass sie ihn bisher durch halb Rom getrieben hatte.
Doch dann bog sie trabend in den Park der Villa Farnesina ein. Trotz des Regens leuchtete das rötliche Gelb der Palastfassade freundlich
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