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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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und lebendig. Er ritt links, sie rechts an dem Rasenrondell mit dem weißen Marmorbrunnen vorbei. Vor der breiten Treppe, die in die Loggia führte, trafen sie sich wieder. Ein Diener, der die Pferde gehört hatte, fiel von Neugier getrieben förmlich aus dem Palast. Valenti sprang ab und half der Gräfin vom Pferd. Dabei kamen sie sich kurz nahe. Es schien ihm, als lehnte sie sich
beim Absteigen aus dem Sattel stärker an ihn an, als es unbedingt notwendig gewesen wäre. Ihr Odeur verscheuchte diesen Gedanken. Die Zartheit der Rose, die das Animalische bedeckte und milderte, ohne es jedoch zu leugnen, wirkte wie kostbare Seide, die den Körper nicht versteckte, ihn aber auch nicht nackt erscheinen ließ. Valenti fühlte sich benommen. Der Diener verbeugte sie ehrerbietig vor der Gräfin, die er offensichtlich kannte.
    »Mein teurer Alvaro, wir bitten um freundliche Aufnahme.«
    »Ihr Wunsch ist uns Befehl.«
    »Wir brauchen dich erstmal nicht. Wenn du unsere guten Pferde versorgst und uns später einen kleinen Imbiss servierst, fühlen wir uns wie im siebenten Himmel. Oder was meinen Sie, Graf.« Sie stieß ihn leicht an. »Kommen Sie. Der gute Francesco gestattet mir, die Villa von Zeit zu Zeit zu nutzen.« Der »gute Francesco« war Francesco Maria Farnese, der Herzog von Parma und Piacenza und nebenbei der Hausherr des schönen Palastes. Dieser ausgesprochen dicklippige und sehr barocke Fürst liebte den Palast nicht sonderlich und residierte, wenn er sich schon in Rom aufhielt, eher im Würfel, dem prächtigen Palazzo Farnese in Regola. Valenti kannte den Herzog flüchtig. »Ein großzügiger Mann.«
    »Oh ja«, hauchte die Gräfin. Dann hüpfte sie leichtfüßig die Treppe hinauf. Er schaute ihr bewundernd hinterher, denn ihre Sohlen schienen kaum die Stufen zu berühren. Oben angekommen wandte sie sich fast tänzerisch um. »Was ist, Graf? Angst vor der reinen Kunst?«
    Er wusste, dass Raffael und Sebastiano del Piombo hier großartige Fresken geschaffen hatten, aber er hatte bisher noch keine Gelegenheit gehabt, sie in Augenschein zu nehmen.
Dabei lag ihm wie allen Gonzagas die Liebe zur Malerei im Blut. Neugier und Freude packten ihn.
    Und dann stand er plötzlich inmitten der in blauen Farben gehaltenen Loggia. Eine merkwürdige Atmosphäre, kalt und sinnlich zugleich, umhüllte ihn wie ein Mantel. Die Wände erzählten die Geschichte der Königstochter Psyche, die viele Prüfungen zu bestehen hatte, ehe sie den Liebesgott Amor zum Manne bekam. Valenti schmunzelte, er erinnerte sich daran, dass diese Fresken letztlich eine Allegorie auf das lange Warten der Francesca Ordeaschi darstellten, ehe sie der märchenhaft reiche Bankier Chigi - der Vater ihrer Kinder und der Bauherr der Villa - geheiratet hatte. Wie eng Liebe und Tod beieinanderlagen, zeigte eine zweite Begebenheit. Eine andere Frau hatte sich hier in der Villa sieben Jahre zuvor das Leben genommen. Die große Kurtisane Imperia, schön, gebildet, angebetet und dennoch todunglücklich. Valenti Gonzaga vergaß völlig seine Kleidung, die ihn als Mann der Kirche auswies, seinen Rang und seine Stellung. Die Fresken der Loggia ergriffen ihn wie eine Offenbarung. Er konnte sich an den sinnlichen Körpern, an den kühnen Schwüngen der Rundungen, der Brüste, Gesäße und Hüften nicht sattsehen, nicht genug bekommen von den schwindelnden Drehungen der Figuren und den frivolen Spielen der Perspektiven. Die ganze Loggia stellte ein einziges Fest der Leiber dar. Kaum zu glauben, dass hier Päpste ein und ausgingen, die bestimmt nicht züchtig die Augen von der »Kunst« abwandten.
    Plötzlich umschloss ihre Hand seine Rechte. Er ließ es, immer noch betäubt von den Tänzen der Lüste, geschehen. Die Gräfin zog ihn wortlos mit sich, einen Saal weiter, in die östliche Loggia. Und da traf ihn wie ein Beil die Schönheit von Raffaels Triumph der Galatea. Und während er
geradezu in der Welt des Gemäldes versank, hörte er ihre leise Stimme, leicht hauchend, kalkuliert elegisch, nicht zu viel, nicht zu wenig.
    »Zwei schöne Define ziehen einen Wagen;
auf ihm ist Galatea, die die Zügel führt;
und jene schwimmen und blasen zugleich;
während sich rund um sie die unzüchtige Herde
tummelt...«
    Er wusste, dass der Vers von Angelo Poliziano stammte. Die unzüchtige Herde, besser konnte man es nicht ausdrücken. Da stand sie auf einer Muschel, die schöne Unschuld, und wurde von zwei scharfzähnigen Delfinen durch das Meer des Lebens gezogen. Mit einer

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