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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Überall wirst du den gleichen Gedanken finden. Ohne Blut kein Leben. Blut ist heilig, weil es Leben ist und weil Gott im Alten Testament seinen Bund mit den Söhnen Jakobs durch das Blut macht. Das ist der Sinn der Beschneidung, der durch Blut besiegelte Bund mit Jahweh. Nicht umsonst taucht in diesem Zusammenhang auch der Begriff Blutbräutigam auf. Du verstehst, wie wichtig das Blut ist? Das sind die beiden Elemente, die unsere Welt beleben: die Seele und das Blut.«
    Das erste Mal seit Cäcilias Verschwinden waren seine Augen nicht von Verzweiflung und Trauer verschattet, sondern sprühten vor Energie. Er hatte die Gegenwart vergessen und war vollkommen in das Wissen und den Erfahrungsschatz vergangener Jahrtausende eingetaucht. Beim Anblick des Freundes durchfuhr Prospero der Gedanke, dass die Zeit eigentlich gar nicht verging, sondern die Tage,
Jahre und Jahrtausende sich parallel zur menschlichen Existenz ablagerten und dort das bildeten, was man Gott nannte, eine einzige Gleichzeitigkeit, von der der Mensch nur einen winzigen Teil wahrnahm? Ihm schwindelte bei dieser Vorstellung, und er konzentrierte sich lieber auf Vellonis Darstellung, die schon beunruhigend genug war.
    »Wir dürfen«, setzte der Philologe fort, »uns zunächst nicht von den flüchtigen Erscheinungen verwirren lassen - Lamien, Empusen, Strigae, Ghule, Larven, Preta, Ch’ing Shi, Lilith, Vampir, Upir und Dhampir, um nur einige zu nennen -, sondern müssen uns dem Wesen an sich zuwenden. So sehr sie sich in Gestalt und Vorlieben unterscheiden, ernähren sie sich doch alle von Blut. Und Blut ist die ursprüngliche Form des Lebens. Was bedeutete es also, wenn man sich vom Blut ernährt?« Ohne Prospero Lambertini zu Wort kommen zu lassen, sprach Velloni weiter. »Ich will’s dir sagen: Blut zu trinken, stellt eine Verhöhnung des Lebens dar. Es heißt, Jahweh oder auch Jesus, denn beider Bünde mit den Menschen basieren auf dem Blut, ins Handwerk zu pfuschen.«
    »Wer Blut trinkt, fordert also Gott heraus?«
    »Ja, er stellt seine Herrschaft in Frage. Deshalb hat die Kirche die Vampire den Teufeln zugeordnet und damit die alten Blutsäuferdynastien sträflich unterschätzt. In der Offenbarung des Johannes heißt es dazu: Und ich sah die Frau, betrunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu. Der Seher Johannes muss Vampiren begegnet sein oder von ihnen Kenntnis erlangt haben. Das ist mehr als deutlich. Aber er denkt noch viel zu naiv von ihnen, wenn er sie dem Teufel zuordnet. Für den Teufel existiert Gott, für den Vampir nicht. Oder lass es mich so ausdrücken: Wer Blut trinkt, führt seine Existenz nicht auf Gott
zurück. Deshalb kann ein Blutsauger nicht sterben, deshalb bleibt er un-tot, ist aber auch nicht lebendig, er ist un-tot, wie er un-lebendig ist, weil er sich den Tatsachen des Lebens nicht unterordnet. Er unterliegt auch nicht der göttlichen Ordnung, Sünde und Sühne spielen für ihn keine Rolle, auch die mosaischen Gesetze nicht. Er steht selbst außerhalb der ältesten Rechtsordnung. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«
    Prospero dämmerte es, doch er hoffte inständig, dass er den Philologen falsch verstanden hatte. »Sie sind also keine Diener Satans?«
    »Nein, weil Satan der göttlichen Ordnung, wenn auch in negativer Weise, angehört. Sie sind älter als der Teufel. Wir rechnen sie zu seinen Heerscharen, weil Satan oder der Teufel oder Luzifer oder der Scheitan, wie die Mohammedaner sagen, eine Metapher für alles Böse darstellen, eine Maske ohne Gesicht. Jeder kann hinter der Larve vermuten, was er will. Doch Vampire sind im Gegensatz dazu das Ur-Böse schlechthin. Sie sind schlimmer als der Teufel, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes a-moralisch sind, regellos. Sie antworten nicht spiegelverkehrt auf Gott, weil sie mit Gott nichts zu tun haben. Frag mich bitte nicht, wie man das theologisch einordnen soll. So weit bin ich noch nicht. Wenn Moses schon vehement dagegen angeht, Blut zu essen, weil Blut das Leben ist, dann streitet er gegen die Blutsauger und Blutesser, die er vor Augen hat. Als er das heilige Volk durch die Wüste führt, wurden sie offenbar von Ghulen, von Vampiren, angefallen. Und es muss ein mächtiger Kampf stattgefunden haben, den man später aus der Bibel gestrichen hat. Lies das äthiopische und das slawische Henoch-Buch! Nicht umsonst heißt es im Psalm: Errette mich von den Übeltätern und hilf mir von den Blutgierigen. Auch in den Akten der
persischen Märtyrer

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