Und taeglich grueßt die Evolution
Nordens an Temperatur verliert, wird es noch schwerer. Es sank also in tiefere Wasserschichten ab, in denen es dann wieder nach Süden strömte. Für die Entwicklung der Menschheit hatten diese Veränderungen im Atlantik weitreichende Folgen. Die »Warmwasserheizung« endete viel weiter südlich als bisher, im hohen Norden konnte sich daher Eis breitmachen. Verstärkt wurde diese Abkühlung durch Schwankungen der Erdachse und bestimmte Variationen der Erdbahn. Kommt es aber zu einer Abkühlung des Klimas, verdunstet auch weniger Wasser aus den Meeren. In den Savannen Ostafrikas wurden die Niederschläge immer geringer.
Klima und Werkzeuge
Die Pflanzenwelt reagiert auf zunehmende Trockenheit häufig mit der Ausbildung härterer Samen. In einer Anpassung an diese Entwicklung bildeten drei verschiedene Frühmenschen-Arten, die von den Wissenschaftler als Australopithecinen bezeichnet werden, immer kräftigere Kiefer und stärkere Backenzähne aus. Die Vorfahren des Homo sapiens hingegen entdeckten eine andere Möglichkeit, an die begehrten Samen und Nüsse zu kommen, ohne gleich das ganze Gebiss umzubauen: Sie nutzten Werkzeuge, um die Körner zu zermahlen. Die 2,5 Mio. Jahre alten Überreste eines dieser Frühmenschen, des Homo rudolfensis, entdeckten der Paläoanthropologe Friedemann Schrenk vom Senckenberg-Museum in Frankfurt und sein US-Kollege Tim Bromage von der New York University in Malawi. In Ostafrika entwickelte sich vor 2 Mio. Jahren außerdem eine weitere Frühmenschen-Art, der Homo habilis, der auf die Klimaänderung und die härtere Nahrung auf sehr ähnliche Weise reagierte.
Vor 1,7 Mio. Jahren wurde es noch einmal trockener, die Frühmenschen benötigten bessere Werkzeuge. Um sie herzustellen, mussten unsere Vorfahren, so die gängige Lehrmeinung, auch über die entsprechenden geistigen Kapazitäten verfügen. Also wuchs die Größe des Gehirns. Mit diesem verbesserten Denkorgan entwickelten die Frühmenschen raffiniertere Werkzeuge, mit denen sie gefundene Kadaver besser zerlegen und Wild leichter erbeuten konnten. Das war auch nötig, denn die grauen Zellen verbrauchten besonders viel Energie. Keine drei Pfund wiegt das Gehirn eines modernen Menschen mit rund 75 Kilogramm Körpergewicht. Und doch schluckt das Denkorgan ein Fünftel der im Organismus verbrauchten Energie. Wächst das Gehirn, muss also energiereichere Nahrung her. Die meiste Energie aber liefert Fleisch. Und schon kam ein faszinierender Kreislauf in Gang, in dem sich zwei Prozesse in einer sogenannten »positiven Rückkopplung« gegenseitig verstärken: Ein größeres Gehirn erlaubt raffiniertere und damit ergiebigere Methoden der Fleischbeschaffung. Mehr Fleisch wiederum erlaubt eine weitere Zunahme der energiehungrigen grauen Zellen.
Köpfchen schlägt Zähne
Dank der gewachsenen geistigen Kapazität wurden auch immer ausgefeiltere Sozialstrukturen möglich. Weil die Frühmenschen ihre energiereichen Fleischrationen vermutlich häufig anderen Raubtieren abluchsten, waren solche gruppenartigen Sozialstrukturen ein großer Vorteil im Überlebenskampf. Der Nutzen raffinierter Sozialstruktur und eines größeren Gehirns zeigten sich besonders drastisch, als der nächste Dürreschub die Samen noch härter werden ließ. Diesem Ereignis war auch das stärkste Gebiss und der mächtigste Kiefer eines Australopithecinen nicht mehr gewachsen. Vor rund 1 Mio. Jahren starb die letzte Art dieser Gattung aus.
Das wachsende Gehirn mit seinen vielen Vorteilen hatte den Wettlauf mit dem Gebiss gegen die Klimakapriolen der Eiszeit gewonnen. Es erdachte sich einfach bessere Werkzeuge, mit denen auch die härteste Nuss geknackt werden konnte. Mit genau dieser Strategie lösen noch heute die meisten Menschen ihre Probleme. Diese Taktik ist so erfolgreich, dass immer mehr Menschen sogar auf einige Zähne verzichten können, die ihren Vorfahren lange Zeit den Überlebenskampf erleichtert hatten: Weisheitszähne werden in der modernen Gesellschaft immer seltener.
Die Sinne des Generalisten: Wie die Welt in unserem Kopf entsteht
Unser Leben wäre ärmer, könnten wir nicht einen warmen Sommerregen auf der Haut spüren, einen Regenbogen sehen, Beethovens neunte Symphonie hören, das Bouquet eines guten Weins genießen oder uns ein festliches Mahl auf der Zunge zergehen lassen. Schon der griechische Philosoph Aristoteles erkannte, dass wir die Wahrnehmung dieser Dinge unseren fünf Sinnen verdanken. Doch die ersten Erkenntnisse über die komplexen
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