Und taeglich grueßt die Evolution
Rothirschmännchen etwa halten mit ihrem röhrenden Brunftgeschrei andere Hirsche von ihrem Harem fern und imponieren den weiblichen Tieren. Bei jedem Röhren senkt sich ihr ohnehin schon tief sitzender Kehlkopf aktiv den Hals weit hinab und erlaubt so die Produktion tiefer Formanten, die eine dunkle, weittragende Klangfarbe bewirken. Diese aktive Absenkung des Kehlkopfes während der Vokalisation fanden Biologen auch bei Löwen, Schweinen oder Haushunden.
Die Hypothese von der Größenübertreibung lässt sich auch auf den Menschen übertragen. Neben der Kehlkopfabsenkung im Kindesalter findet eine zweite Verlängerung des Vokaltraktes in der Pubertät statt, nämlich beim Stimmbruch. Sie wird begleitet von einer Vergrößerung des Kehlkopfs, durch die auch die Stimmlippen dicker und länger werden und demzufolge tiefere Töne erzeugen. Weil besonders das männliche Geschlecht davon betroffen ist, vermuten Humanethnologen, dass die tiefere Erwachsenenstimme eines Mannes, wie andere sekundäre Geschlechtsmerkmale, die Fortpflanzungschancen erhöhen soll und demnach durch die sexuelle Selektion gefördert wurde.
Er kam, sang und sprach – »Proto-Musik« als Wegbereiter?
Bei der Absenkung des Kehlkopfs waren offenbar mehrere evolutionäre Kräfte am Werk. All die anderen anatomischen Besonderheiten des menschlichen Lautapparates werden jedoch von Anthropologen als evolutionäre Anpassungen an die Bedürfnisse einer sich protosprachlich verständigenden Spezies gewertet. Man kann sich leicht vorstellen, dass ein größerer Resonanzraum oder flexiblere Modulierungsmöglichkeiten unseren Vorfahren einen entscheidenden Selektionsvorteil brachten, nachdem sie eine vokale Kommunikationsform »erfunden« hatten, welche auf der freien Kombinierbarkeit einzelner Laute beruhte.
Nach Ansicht einiger Forscher könnte an einem Punkt der menschlichen Urgeschichte eine vokale Kommunikationsform existiert haben, die manche Charakteristika der heutigen Musik aufwies. Denn unseren Lautapparat gebrauchen wir nicht nur zum Sprechen, sondern auch zum Singen. Schon Charles Darwin vermutete, dass ein primitives gesangsartiges Kommunikationssystem der Sprache vorausging. Diese »Proto–Musik« könnte auch die treibende Kraft für die Absenkung des Kehlkopfes, die Ausbildung unseres Stimmapparates und die Herausbildung der notwendigen kognitiven Anpassungen gewesen sein und so den Weg für die Evolution der Sprache geebnet haben.
Schwere Geburt: Großer Kopf führt zu Komplikationen
Die beiden wichtigsten Ursachen für die Strapazen einer menschlichen Geburt sind der enge Bau eines Beckens, das vor allem für den aufrechten Gang optimiert ist, und der überproportional große Kopf des Kleinkinds. Die räumliche Enge des Geburtskanals hat die Natur zu einer einzigartigen Notlösung veranlasst: Die Schädelplatten des Ungeborenen sind gegeneinander verschiebbar. Auch finden Gebärende in nahezu allen Kulturen den Beistand anderer Menschen, um die Mühen und Gefahren der Niederkunft zu mindern. Nicht zuletzt helfen Techniken wie der Kaiserschnitt, das Leben von Kindern und Müttern zu retten, auch wenn die Entbindung im OP-Saal neue Risiken birgt.
Die Geburt steht in erster Linie für Freude, Fruchtbarkeit und einen Neubeginn. Diese positiven Aspekte einer Niederkunft werden in der Gesellschaft, Literatur und Kunst häufig stärker vermittelt als ihre düsteren Seiten: die Qual, der Schmerz und der Tod. Dabei kann die menschliche Geburt trotz des medizinischen Fortschritts bis heute für Mutter und Kind gleichermaßen lebensgefährlich sein.
Ein gefährlicher Start ins Leben
Jedes Jahr sterben weltweit 529 000 Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt, davon 99 Prozent in Entwicklungsländern. In den ersten drei Monaten der Schwangerschaft ist das Risiko einer Fehlgeburt besonders groß. Rund ein Viertel nimmt dieses jähe Ende. Auch bei den übrigen Frauen verläuft nicht immer alles nach Wunsch. Fast jede Zehnte klagt über Wassereinlagerungen, Bluthochdruck und Eiweißausscheidungen im Urin – Symptome, die als EPH-Gestose diagnostiziert werden. Infolge dieser Erkrankung, einer der häufigsten und gefährlichsten während der Schwangerschaft, kann der Säugling schlechter über die Plazenta versorgt werden und Gefahr laufen, zu wenig Sauerstoff zu erhalten. Das Risiko einer Frühgeburt steigt.
Jeden Tag kommen in Deutschland ein Dutzend Kinder als Frühchen vor der 37. Woche zur Welt. Noch vor wenigen
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