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Und taeglich grueßt die Evolution

Und taeglich grueßt die Evolution

Titel: Und taeglich grueßt die Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wissenmedia
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steinzeitlichen Jäger auf eine gemeinsame Strategie einigen konnten, mussten sie die Jagdszene, ihre eigene Rolle innerhalb des Jägerklans und das Verhalten des Beutetieres antizipieren. Sie durften nicht mehr uneingeschränkt ihren eigenen Jagdimpulsen folgen, sondern mussten zum Wohle der Gruppe – in der Sprache Freuds – Triebverzicht leisten.
    Vor rund 100 000 Jahren legten die Neandertaler erste Gräber an. Da sich durch die sorgfältige Bestattung der Toten und den Kult der Grabbeigaben für die Überlebenden kein Vorteil ergab, werden diese Anlagen übereinstimmend als Zeichen für die beginnende Auseinandersetzung mit der eigenen Existenz und der Vergänglichkeit gedeutet. Dass sich durch diese Beschäftigung mit dem »Ich« auch der Blick auf den »Anderen« veränderte, belegt der Umstand, dass die Neandertaler ihre kranken oder verletzten Gruppenmitglieder pflegten. Seitdem haben sich die bewussten Anteile der Psyche durch die zunehmenden Kultureinflüsse kontinuierlich verstärkt. Und doch sind auch wir modernen Menschen in manchen Teilen unseres Daseins noch immer Trieb- und Naturwesen.
    Ich und Du: Selbsterkenntnis ist der größte Schritt
    Vieles von dem, was wir den ganzen Tag tun, geschieht aus Routine, ohne dass es uns wirklich bewusst wird. Ohne darüber nachzudenken, laufen wir zum Briefkasten, stellen die Milch in den Kühlschrank oder nehmen den Bus, um zur Arbeit zu gelangen. Unser Leben wäre anstrengend, müssten wir alle unsere Alltagshandlungen bewusst durchführen, denn unser Gehirn wäre von diesem Planungsaufwand bald überfordert. Dennoch ist die Fähigkeit, bewusst über sich selbst und das eigene Leben nachzudenken, eine der spektakulärsten »Erfindungen« in der Geschichte der Evolution – mit weitreichenden Folgen für das soziale und kulturelle Leben. Erst das Selbstbewusstsein machte den Menschen zu dem, der er heute ist.
    Schon lange bevor René Descartes seinen berühmten Satz »Ich denke, also bin ich« postulierte, beschäftigten sich Philosophen mit dem Phänomen des Selbstbewusstseins und noch immer zerbrechen sich Wissenschaftler genau darüber den Kopf. Tatsächlich wirft es eine Vielzahl von Fragen auf, obwohl wir uns – mit Descartes – alle sicher sind, dass wir selbst es sind, die denken und fühlen, dass ein »Ich« existiert, welches all diese Gedanken und Empfindungen bewusst erlebt oder, wie Kant sagt, synthetisiert. Für Wissenschaftler ist Bewusstsein ein Problemwort, weil es ganz unterschiedliche Ebenen und Aspekte von Bewusstsein gibt, die nur schwer voneinander zu trennen sind.
    Sich selber sehen und gesehen werden
    Das Selbst ist eine Art Beobachter und Beurteiler der eigenen Wahrnehmungen, Gedanken, Wünsche, Hoffnungen oder Zweifel. Es kann nicht nur sehen, hören und fühlen, es empfindet auch Trauer oder Glück und kann sich zugleich Gedanken darüber machen, warum es gerade bestimmte Gefühle oder Wahrnehmungen hat und ob es damit einverstanden ist. Das Ichbewusstsein macht uns also zu Experten für mentale Zustände. Dies ist im sozialen Leben äußerst nützlich, weil man diese Fähigkeit auf die mentalen Zustände anderer Menschen übertragen und beispielsweise Mitgefühl entwickeln kann. Dies ist der Grund, weshalb bei einer Hollywood- oder TV-Schnulze gelegentlich auch im Zuschauerraum Tränen fließen. Genauso können wir uns für jemanden freuen, der soeben ein schweres Spiel gewonnen oder eine Prüfung bestanden hat.
    Das Deuten fremder mentaler Zustände ermöglicht uns aber auch das Kalkulieren und Manipulieren der Mitmenschen. Wir können sie zu unserem Vorteil hinters Licht führen, belügen und betrügen. Eine alltägliche Form von Täuschung ist das absichtliche Manipulieren des Eindrucks, den man auf andere macht. Wer sich seiner selbst als Mitglied einer Gesellschaft bewusst ist und auch seine Mitmenschen als Wesen mit empathischen Fähigkeiten begreift, weiß, dass er in einem Netzwerk gegenseitiger Beurteilungen und Zuschreibungen lebt. In allen Kulturen spielen Körperdekorationen und Statussymbole eine wichtige Rolle. Frisur, Kleidung, Körperbemalung, Parfüm oder Schmuck – all dies dient dazu, die eigene Person in den Augen des Betrachters aufzuwerten. Dies war offenbar schon in der Frühzeit der Menschheit der Fall: Archäologen fanden 100000 Jahre alten roten Ocker, der vermutlich für Körperbemalungen verwendet wurde.
    Das Ich auf Zeitreise
    Das Selbstbewusstsein ist nicht an das Hier und Jetzt gebunden. Es

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