Und tot bist du
Stoßgebet zum Himmel. Als er ihre Stimme hörte, kam er ohne Umschweife auf sein Anliegen zu sprechen: »Betsy, hat Tommy Ihnen je etwas über seine neue Haushälterin erzählt?«
Sie zögerte kurz. »Ja, aber nur im Scherz.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ach, Sie wissen ja, wie es ist«, entgegnete sie. »Es gibt so viele alleinstehende Frauen zwischen fünfzig und sechzig und so wenige Männer, die noch zu haben sind. Bei meinem letzten Telefonat mit Tommy – das war am Morgen des Tages, an dem das arme Mädchen ermordet wurde
– sagte ich, daß eine Menge meiner Freundinnen verwitwet oder geschieden seien. Bestimmt würden sie vor Eifersucht platzen, und wenn er nach Florida käme, würden sie sich an ihn hängen wie die Kletten. Er antwortete, er habe vor, einen großen Bogen um unverheiratete Frauen zu machen, mit Ausnahme von mir natürlich. Außerdem hätte er gerade ein unangenehmes Erlebnis in dieser Richtung hinter sich.« Sie hielt inne. »Offenbar hatte er seiner Haushälterin an diesem Vormittag mitgeteilt, er wolle sein Haus verkaufen und nach Palm Beach ziehen. Er vertraute ihr an, er habe sich von Arabella getrennt, weil er eine Frau kennengelernt habe, die ihm etwas bedeute. Als er später noch einmal über dieses Gespräch nachdachte und sich an ihre Reaktion erinnerte, wurde ihm klar, daß die Haushälterin ihn mißverstanden haben könnte. Vielleicht hat sie sich eingebildet, sie selbst sei diese Frau. Deshalb hat er ihr klipp und klar gesagt, er werde sie nach Verkauf des Hauses nicht mehr brauchen und sie auch nicht nach Florida mitnehmen. Zuerst schien sie erschrocken, aber dann hat sie ihm die kalte Schulter gezeigt.« Wieder hielt die Gräfin inne und schnappte dann entsetzt nach Luft.
»Mein Gott, Sie glauben doch nicht etwa, daß sie Tommy in diese furchtbare Lage gebracht hat!«
»Ich fürchte, allmählich erhärtet sich dieser Eindruck, Betsy«, erwiderte Henry. »Ich melde mich wieder bei Ihnen. Jetzt muß ich erstmal meinen Mitarbeiter auf die Sache ansetzen.« Er unterbrach die Verbindung und wählte Marvin Kleins Nummer. »Hallo, Marvin«, meinte er. »Ich habe einen Verdacht, was Lillian West, Mr. Shipmans Haushälterin betrifft. Sie müssen sie sofort auf Herz und Nieren überprüfen.«
Eigentlich verstieß Marvin Klein nur ungern gegen das Gesetz, indem er in geschützte Computerdateien einbrach, doch wenn sein Chef »sofort«, sagte, mußte die Angelegenheit dringend sein.
Er brauchte nur wenige Minuten, um ein Dossier über die sechsundfünfzigjährige Lillian West zusammenzustellen. Sie hatte eine ganze Reihe von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung auf dem Kerbholz. Doch noch wichtiger war ihr beruflicher Lebenslauf. Beim Lesen bildeten sich tiefe Falten auf Marvins Stirn. West hatte studiert, den Magister gemacht und an verschiedenen Hochschulen Hauswirtschaft unterrichtet, zuletzt am Wren College in New Hampshire. Vor sechs Jahren hatte sie gekündigt und eine Stelle als Haushälterin angenommen.
Seitdem war sie bei vier verschiedenen Familien tätig gewesen. Ihr Zeugnisse, die vor allem ihre Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Kochkünste hervorhoben, waren verhältnismäßig gut. Marvin beschloß, ihre Arbeitgeber selbst unter die Lupe zu nehmen.
Eine knappe halbe Stunde nach Henrys Anruf meldete sich Marvin wieder bei dem ehemaligen Präsidenten, der sich noch immer im Flugzeug befand. »Sir, in den Akten steht, daß Lillian West zwar an einigen Colleges unterrichtet hat, aber immer wieder Schwierigkeiten mit ihren Vorgesetzten bekam. Vor sechs Jahren hat sie die Lehrtätigkeit aufgeben und bei einem Witwer in Vermont als Haushälterin gearbeitet. Er starb zehn Monate später, offenbar war es ein Herzinfarkt. Danach wurde sie Haushälterin bei einem geschiedenen Manager, der leider ebenfalls noch im selben Jahr starb. Ihr letzter Arbeitgeber vor Au
ßenminister Shipman war ein achtzigjähriger Millionär. Er hat ihr zwar gekündigt, ihr aber dennoch ein gutes Zeugnis ausgestellt. Ich habe mit ihm gesprochen. Er sagte, Ms.
West sei zwar eine ausgezeichnete Haushälterin und Köchin, nehme sich aber zu viel heraus und habe kein Verständnis für den traditionellen Umgang zwischen dem Herrn des Hauses und einer Angestellten. Er habe beschlossen, ihr zu kündigen, als ihm klargeworden sei, daß sie sich in den Kopf gesetzt hatte, ihn zu heiraten. Kurz darauf hat er sie vor die Tür gesetzt.«
»Wie steht es um die Gesundheit dieses Mannes?« fragte
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