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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du
Autoren: Mary Higgins Clark
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Schreibtisch herum, und es war ihr zunächst sehr peinlich, daß ich sie dabei ertappte. Sie behauptete, sie suche nach Ihren Autoschlüsseln. Da Sie sich nicht wohlfühlten, hätten Sie ihr angeboten, Ihr Auto zu nehmen. Am nächsten Morgen wollte sie es wieder zurückbringen. Darauf fragte sie mich, warum ich noch hier sei, da ich mich doch bereits verabschiedet hatte. Ich erklärte, ich hätte Ihnen versprochen, Ihre alte Pistole bei der Polizei abzugeben, sie jedoch versehentlich liegengelassen. Das arme Dummerchen stand da und sah zu, wie ich die Waffe nahm und lud. Ihre letzten Worte waren: ›Ist es nicht gefährlich, das Ding zu laden? Mr. Shipman wird bestimmt nicht damit einverstanden sein.‹«
    Lillian West brach in ein lautes, schrilles Gelächter aus, so daß ihr die Tränen in die Augen traten. Doch obwohl sie am ganzen Leib bebte, blieb die Waffe auf Sunday und Tommy gerichtet.
    Jetzt bringt sie uns gleich um, dachte Sunday.
    »›Ist es nicht gefährlich, das Dinge zu laden?‹« äffte West Arabellas letzte Worte nach, wobei sie vor lauter Lachen kaum einen Ton herausbrachte. »›Mr. Shipman wird bestimmt nicht damit einverstanden sein!‹«
    »Hätten Sie etwas dagegen, die Vorhänge aufzumachen?« fragte Shipman. »Ich möchte wenigstens noch einmal die Sonne sehen.«
    Lillian West lächelte kalt. »Warum dieser Aufwand? Sie sind doch sowieso bald im Himmel.«
    Die Vorhänge! fiel es Sunday wie Schuppen von den Augen. Das hatte Tommy ihr mitteilen wollen! Als er gestern die Jalousie in der Küche heruntergelassen hatte, hatte er von der elektronischen Vorrichtung gesprochen, mit der man die Vorhänge in der Bibliothek öffnen und schließen konnte. Da sie defekt war, klang es wie ein Pistolenschuß, wenn man sie benutzte. Die Fernbedienung lag auf der Armlehne der Couch. Sie mußte sie in die Hände bekommen. Das war ihre einzige Hoffnung.
    Sunday drückte Tommys Hand, um ihm zu bedeuten, daß sie ihn endlich verstanden hatte. Dann schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel, griff nach der Fernbedienung und drückte blitzschnell den Knopf, mit dem man die Vorhänge öffnete.
    Wie erwartet ließ der scharfe Knall Lillian West herumfahren. Gleichzeitig sprangen Tommy und Sunday auf.
    Tommy stürzte sich auf Lillian West, während Sunday ihr auf die Hand schlug, mit der sie gerade abdrücken wollte.
    Ein Schuß fiel. Sunday spürte einen brennenden Schmerz im linken Arm, achtete aber nicht darauf. Da es ihr nicht gelang, der Frau die Waffe zu entreißen, warf sie sich auf sie und trat den Stuhl unter ihr weg, so daß alle drei in einem Knäuel zu Boden stürzten. In diesem Augenblick verriet ihnen das Geräusch splitternden Glases, daß die Leibwächter endlich ins Haus eingedrungen waren.
    Zehn Minuten später sprach Sunday, die ihre Fleischwunde am Arm inzwischen fest mit einem Taschentuch umwickelt hatte, am Telefon mit einem völlig erschütterten Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten.
    »Mir ist nichts passiert«, sagte sie wohl zum fünfzehnten Mal. »Wirklich, es geht mir gut und Tommy auch. Lillian West wurde in eine Zwangsjacke gesteckt und wird gerade abtransportiert. Also hör auf, dir Sorgen zu machen. Wir haben alles im Griff.«
    »Sie hätte dich töten können«, meinte Henry, ebenfalls nicht zum erstenmal. Er brachte es nicht über sich, aufzulegen, er mußte unbedingt die Stimme seiner Frau hören.
    Sie war dem Tod nur um Haaresbreite entronnen, und der Gedanke, daß er sie fast für immer verloren hätte, war ihm unerträglich.
    »Aber ich lebe noch!« verkündete Sunday. »Außerdem hatten wir beide recht, Henry. Es war eindeutig ein Verbrechen aus Leidenschaft. Nur, daß wir ein wenig spät darauf gekommen sind, um wessen Leidenschaft es sich handelte.«

    First Lady vermißt
    »Das Oval Office ist am Apparat, Mr. President.«
    Henry Parker Britland IV. seufzte. »Er wird es wohl nie lernen«, dachte er. Marvin Klein, seit vielen Jahren seine rechte Hand, konnte es sich einfach nicht angewöhnen, den augenblicklichen Amtsinhaber beim Namen zu nennen, sondern bezeichnete ihn hartnäckig als ›Oval Office‹.
    Als der Anruf kam, saß Henry an seinem Schreibtisch in der Bibliothek von Drumdoe, seinem Landsitz in New Jersey. Die winterliche Spätnachmittagssonne fiel durch die hohen Bleiglasfenster und brachte die auf Hochglanz polierten Möbel im gotischen Stil zum Schimmern. Eigentlich hatte Henry an seinen Memoiren arbeiten wollen, allerdings plötzlich bemerken müssen, daß er in
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