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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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verstohlen einen Umschlag aus der Tasche und steckte ihn mir zu. Flüsternd bat er mich, das Kuvert eine Weile für ihn aufzubewahren.
    Also ging ich hinunter in meine Kabine, rief meine Mutter an und berichtete ihr von dem Abend. Morgens wurde ich von Madame del Rios verzweifelten Schreien geweckt.
    Und da wußte ich, daß ich die Tragödie hätte verhindern können.«
    »Möglicherweise hättest du auch del Rios Schicksal geteilt, wenn du versucht hättest, ihn zu retten«, widersprach Sunday. »Es wäre typisch für dich, wenn du ihm nachgesprungen wärst. Glaubst du, ein zwölfjähriger Junge –
    selbst einer, wie du es warst – hätte irgend etwas ausrichten können? Du gehst zu streng mit dir ins Gericht.«

    Henry schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich hast du recht. Aber ich muß immer wieder an jenen Abend denken. Vielleicht war ich Zeuge eines merkwürdigen Vorfalls, den ich damals bloß nicht verstand.«
    »Jetzt ist es aber gut, Henry«, schimpfte Sunday. »Du warst ein zwölfjähriger Junge und kein Anwalt.«
    »Nein«, protestierte Henry. »Du weißt nämlich nicht, Liebling, daß mein Vater mich damals bat, alles aufzuschreiben, was mir an jenem Abend aufgefallen war, so wie ich es mit allen wichtigen Begebenheiten tat. Als Tagebuch benutzte ich einen Schnellhefter, damit ich die Kapitel später dem Inhalt nach neu ordnen konnte. Genauso verfahre ich heute, wenn ich an meinen Memoiren arbeite.«
    »Mein Tagebuch war ein Spiralblock«, sagte Sunday.
    »Ich würde es gern einmal lesen.«
    »Nur über meine Leiche. Aber was hast du eben gemeint?«
    »Nach meinem Telefonat mit Mutter zwang ich mich, alles in sämtlichen Einzelheiten niederzuschreiben, obwohl ich ziemlich müde war. Ich ließ das Tagebuch auf dem Tisch liegen und legte den Umschlag des Premierministers darauf. In der Nacht, während ich schlief, verschwanden die letzten Seiten und auch der Umschlag.«
    Sunday sah ihn ungläubig an.
    »Soll das heißen, daß sich jemand in deine Kabine geschlichen und den Umschlag und deine Aufzeichnungen gestohlen hat?«
    »Ja.«
    »Dann, lieber Henry, fällt mir dazu nur eines ein: Bei der Sache steckt mehr dahinter.«

    »Sie sind da, Sims!« rief Marvin Klein, der am Fenster des Salons von Belle Maris stand und beobachtete, wie die elegante Jacht vor Anker ging.
    Würdevoll schritt Sims durch den Raum, wo er die Blumen auf dem Couchtisch neu angeordnet hatte.
    »Ausgezeichnet«, sagte er erfreut. »Und alles ist zu ihrem Empfang bereit. Ist die Columbia nicht ein wunderschönes Schiff? Ich bin auch einigemale an Bord gewesen.« Er seufzte. »Das war vor diesem schrecklichen Zwischenfall.«
    »Sie waren in jener Nacht auf der Columbia ?« meinte Marvin erstaunt.
    »Ja. Ich war seit knapp zwei Jahren bei der Familie beschäftigt. Mr. Henry Parker Britland III. war so freundlich, meine Liebe zum Detail zu bemerken. Deshalb nahm er mich zu besonderen Anlässen immer auf die Jacht mit, so auch an diesem Wochenende. Der Präsident war damals noch ein kleiner Junge, aber ich weiß noch, wie sehr ihn das Verschwinden des Premierministers erschütterte. In seinem jugendlichen Überschwang versuchte er herauszufinden, was sich abgespielt hatte, doch sein Vater befahl ihm, die Angelegenheit ruhen zu lassen.«
    Sims’ nachdenkliche Miene verflog, und ein Lächeln huschte über seine Lippen, als er sah, wie Henry und Sunday das Beiboot bestiegen. »Ich freue mich, sagen zu können, daß die gedünsteten Krebse einfach ein Gedicht sind«, meinte er zu Klein. »Der Präsident wird bestimmt zufrieden sein.«
    »Ganz sicher«, stimmte Marvin zu. »Nur noch eine Frage, Sims: Sie haben erzählt, das Verschwinden des Premierministers wurde nicht mehr weiter untersucht. Aber es haben doch sicher umfangreiche Ermittlungen stattgefunden?«

    »In der Tat, besonders angesichts des Umstandes, daß die Leiche nie entdeckt wurde. Doch man konnte niemandem Vorwürfe machen. Alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen waren getroffen worden. Wie Sie sehen werden, liegt die größte Suite ein halbes Stockwerk über den anderen und verfügt über ein eigenes Deck. Mr. Britland hatte diese Räumlichkeiten an jenem Wochenende dem Premierminister zugeteilt. Außerdem standen die Leibwächter des Ministers am Fuß der Treppe, die zur Suite führt. Natürlich war die Jacht vor dem Ablegen gründlich durchsucht worden. Jeder an Bord, einschließlich der Mannschaft und des Personals, war über jeden Verdacht erhaben, und der Premierminister

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