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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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lesen oder einfach den Himmel zu betrachten.
    »Ich fürchte, mein Vater hat sich nicht sehr dafür interessiert. Schließlich wurde der Premierminister vermißt.
    Außerdem hatte del Rio die Angewohnheit, auf Menükarten oder Redenentwürfen herumzumalen. Mein Vater dachte, er habe mir vielleicht zum Scherz eine solche Zeichnung zugesteckt.«
    »Und die Seiten aus deinem Tagebuch?«
    »Er meinte, ich solle den Eintrag eben noch einmal schreiben, wenn ich mich besser fühlte. Beim Aufwachen hatte ich nämlich Kopfschmerzen – vermutlich eine Grippe –, und natürlich war die Hölle los. Hubschrauber, Boote und Taucher durchkämmten alles nach der Leiche.«
    »Glaubst du, daß del Rio dir irgendeine Kritzelei gegeben hat?«
    »Nein.«
    »Wurde nach deinen verlorenen Papieren gesucht?«
    »Um Vater nicht unrecht zu tun: ja. Auf seine Anweisung hin sah Sims sich persönlich in meiner Kabine um.
    Er wollte sich vergewissern, ob ich den Umschlag und das Tagebuch nicht irgendwo anders hatte liegenlassen. Aber er fand nichts.«
    »Und da du deine Eintragung in einen Schnellhefter gemacht hattest, konntest du auch nicht beweisen, daß wirklich Seiten herausgerissen worden waren.«
    »Genau.« Er hielt inne und blickte seine Frau liebevoll an. Dann sagte er lächelnd: »Wenn deine Wähler dich jetzt sehen könnten, würden sie dir nie mehr ihre Stimme geben. Du siehst aus wie zwölf.«
    Sunday trug einen langen, geblümten Wickelrock, ein ärmelloses weißes T-Shirt und Sandalen. Sie zog eine Augenbraue hoch. »Vielleicht würde mich im Moment niemand für eine Kongreßabgeordnete halten«, entgegnete sie würdevoll, »aber ich möchte eines klarstellen: Ich frage dich all das nicht aus kindlicher Neugier oder weil ich weiß, wie sehr dir diese Nacht noch zu schaffen macht. Ich teile deine Meinung über Madame del Rio, und ich möchte, daß Costa Barria eine wirklich demokratische und freiheitliche Regierung bekommt. Doch es würde zu lange dauern, die Bevölkerung gegen diese Frau aufzuhetzen.
    Wenn nichts Drastisches geschieht, wird sie die nächsten Wahlen wieder gewinnen. Das ist so gut wie sicher.«
    »Richtig.«

    »Und es macht mich wütend, daß einer von Garcia del Rios Leuten möglicherweise seinen Abschiedsbrief aus deiner Kabine gestohlen hat, während du schliefst – falls es ein Abschiedsbrief war. Vielleicht wäre sonst alles anders gekommen.«
    »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß ich dem Premierminister das Leben hätte retten können, wenn ich mit ihm an Deck gegangen wäre. Ich habe die Columbia gekauft, weil sie abgesehen von diesem Zwischenfall, eine große, ruhmreiche Geschichte hat, und ich möchte, daß der Makel in Vergessenheit gerät.«
    Leise kam Sims mit einem Tablett voller Käsegebäck herein, das er Sunday hinhielt. Nachdem sie eines genommen hatte, fragte sie: »Sie waren doch schon früher auf dieser Jacht, Sims?«
    »Ja, Madam.«
    »Welchen Eindruck macht sie auf Sie?«
    Sims runzelte die Stirn. »Sie befindet sich in sehr gutem Zustand, Madam. Aber wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, empfinde ich es als ziemlich erschütternd, daß sich nichts hier verändert hat. Die Tapeten, die Bettwäsche, die Polster, die Vorhänge, alles ist noch genau wie früher. Mr. Hodgins Weatherby hat die Jacht in den zweiunddreißig Jahren, die er sie besaß, offenbar wie einen Schrein behandelt.«
    Henry kicherte. »Das kann ich erklären. Weatherby hatte für die Schiffahrt nichts übrig und wurde schon bei der kleinsten Welle seekrank. Er hat ein Vermögen dafür bezahlt, seinen Hafen auszubaggern, damit er vom Dock aus direkt an Bord gehen konnte. Außer ihm, seinem Hellseher und dem Personal durfte niemand das Schiff betreten. Hier war sein Stammplatz« – Henry klopfte auf die Armlehne seines Sessels und zeigte dann auf Sunday – »und der Hellseher saß dort.

    Übrigens war dein Platz auch der von Winston Churchill, Liebling. Vater erzählte, als Franklin D. Roosevelt das Schiff benutzte, um mit Churchill segeln zu gehen, habe der britische Premierminister sofort diesen Sessel angesteuert.
    Weatherby behauptete, durch Vermittlung des Hellsehers Gespräche mit Churchill, Roosevelt, de Gaulle, Eisenhower und noch ein paar anderen geführt zu haben. Allerdings weigerte er sich, auch nur ein Wort mit Stalin zu wechseln.«
    »Für ihn war die Jacht wohl nicht mehr als eine Art Gartenlaube«, stellte Sunday fest. »Ich kann verstehen, warum seine Familie den Erlös für sie nach seinem Tod

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