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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Einzelkind war und keine Vettern und Cousinen hatte, hat mich mein Vater bei jeder Gelegenheit mitgenommen. Ich war sogar dabei, als er zur Blütezeit der Monarchie im Iran den Schah besuchte.«
    Sunday konnte nicht genug von den Abenteuern bekommen, die Henry als Junge und als junger Mann erlebt hatte.
    Welch himmelweiter Unterschied zu der Kindheit einer Lokführertochter in Jersey City.
    Doch obwohl sie gerne gewußt hätte, was er während des Besuchs beim Schah erlebt hatte, wollte sie lieber mehr über die Vorfälle an Bord der Columbia in jener Nacht hören. »Ich wußte gar nicht, daß du als letzter mit Premierminister del Rio gesprochen hast«, sagte sie leise.
    »Beim Abendessen herrschte eine lockere Atmosphäre«, erzählte Henry. »Der Premierminister sprach von Vaters Vorhaben, durch seine Baufirma einige Brücken, Tunnel und Straßen in Costa Barris errichten zu lassen. Die Hälfte der Kosten wollte er dem Land schenken und damit der Wirtschaft zu einem dramatischen Aufschwung verhelfen.
    Jedem im Raum war klar, daß dieser Boom eine Sicherung von del Rios Machtposition zur Folge gehabt hätte. So wäre es mit Sicherheit unmöglich gewesen, daß Costa Barria wieder zu einer Diktatur wird.«
    »Gewiß waren del Rio und seine Parteifreunde sehr glücklich darüber«, meinte Sunday. »Hältst du es dennoch für möglich, daß er Selbstmord begangen hat?«
    Als sie das Stirnrunzeln ihres Mannes bemerkte, fügte sie hinzu: »Henry, Liebling, ich weiß, wie schwer es dir fällt, darüber zu reden. Du kannst es mir ruhig sagen, wenn ich verschwinden soll.«
    Henry lächelte. »Schatz, in diesem Fall müßtest du ziemlich weit zur Küste schwimmen. Übrigens weiß ich, daß du im Kongreß für eine Fortsetzung der Wirtschaftshilfe für Costa Barria gestimmt hast – auch wenn du es bis jetzt noch nicht erwähntest.«
    »Mir ist klar, daß du es für richtiger gehalten hättest, weiter Druck auf dieses Land auszuüben«, verteidigte sich Sunday. »Doch man kann eine Insel mit acht Millionen Einwohnern nicht einfach ignorieren, insbesondere dann nicht, wenn die meisten von ihnen in Armut leben und unsere Unterstützung dringend brauchen.«
    »Bobby Kennedy hat etwas ganz Ähnliches gesagt, als es um die Öffnung Chinas zum Westen ging.«
    »Das war 1968, um genau zu sein«, entgegnete Henry.
    »Was del Rio betraf, war er ein guter Freund meines Vaters, und er besuchte uns häufig. Ich bin stolz darauf, daß er mich offenbar mochte. Und da ich mir Mühe gab, mir so viel Wissen wie möglich über sein Land und die politische Lage anzueignen, machte er sich einen Spaß daraus, meine Kenntnisse auf die Probe zu stellen. Am letzten Tag waren wir zusammen im Swimmingpool gewesen. Trotz des schönen Wetters schien er bedrückt. Und dann sagte er etwas Merkwürdiges. In ziemlich feierlichem Ton erzählte er mir, daß ihm aus irgendeinen Grund ständig Cäsars letzte Worte im Kopf herumgingen.«
    »Auch du, mein Sohn Brutus? Warum sollte er so etwas sagen?«
    »Keine Ahnung. Natürlich schwebte er ständig in Gefahr, durch ein Attentat ums Leben zu kommen. Aber auf der Columbia fühlte er sich sicher. Allerdings weiß ich, daß er gelegentlich unter Depressionen litt, und inzwischen denke ich, daß die dauernde Angst an jenem Abend ihren Tribut gefordert hat.«
    »Durchaus möglich«, stimmte Sunday zu.
    »Wie ich schon erwähnt habe, verlief das Abendessen recht angenehm. Es endete um Viertel nach zehn. Madame del Rio zog sich sofort zurück, doch der Premierminister blieb noch, um ein wenig zu plaudern. Als ich gerade den Speisesaal verlassen wollte, stand er plötzlich neben mir und bat mich, ihn an Deck zu begleiten. Ich antwortete, meine Mutter erwarte um halb elf meinen Anruf. Mutter hatte gerade ihre alte Freundin, Königin Juliane der Niederlande, zu Besuch, die sich für eine Woche in New York aufhielt. Als ich jedoch del Rios Gesicht sah, wurde mir klar, daß er trotz seiner leutseligen Art sehr beunruhigt war. Deshalb sagte ich, meine Mutter würde sich geehrt fühlen, wenn ich seiner Aufforderung Folge leistete.«
    »Dann brauchst du dir keine Vorwürfe zu machen«, entgegnete Sunday.
    Henry blickte an ihr vorbei aufs Meer hinaus. »Er tätschelte mir die Schulter und erwiderte, ich dürfe meine Mutter nicht enttäuschen. Vielleicht sei diese Entscheidung das beste für uns beide. Er meinte, er wolle allein sein, da er über eine wichtige Angelegenheit nachdenken müsse. Dann umarmte er mich, zog dabei

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