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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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Wahrscheinlich ist sie jetzt dabei, ihre gesammelten Ausschnitte aus der Ratgeberkolumne zu studieren, um herauszufinden, was man seiner Exschwiegertochter sagt. Es sei denn, sie hat zu viel damit zu tun, den Quilt für Bens erstes Baby zu nähen.

    Am folgenden Sonntagnachmittag spaziere ich mit Michael inmitten der Scharen von Walkern, Joggern und Radfahrern über die Brooklyn Bridge, und er schwört mir, der Blick auf halber Strecke werde therapeutische Wirkung haben. Wir sind hier, weil ich ihm gestern im Büro gestanden habe, dass ich ein bisschen deprimiert bin. Er stand vor meinem Schreibtisch und sagte: «Natürlich bist du das. Es wäre gespenstisch, wenn du nicht deprimiert wärst.»
    Dann sagte er, er habe eine Idee, wie ich aufzuheitern sei, und ob ich für den nächsten Nachmittag etwas vorhätte? Nein, sagte ich; gerade noch verheiratet und jäh geschieden zu sein, das habe gewisse Auswirkungen auf die Wochenenden. Jess und ich hätten zwar vorgehabt, in die Hamptons zu fahren, aber ihr sei in letzter Minute eine Geschäftsreise dazwischengekommen (in Wirklichkeit ein Vorwand, sich mit Trey zu treffen). Michael schlug vor, ich solle um zehn bei ihm in Alphabet City sein. Ich spürte, dass Mitleid hinter dieser Einladung stand, aber ich hatte nicht vor, mich von meinem Stolz daran hindern zu lassen, mich zu amüsieren. Und mit Michael amüsiert man sich immer.
    Also haben wir uns heute Morgen vor seiner Wohnung getroffen, und jetzt sind wir hier auf dem Gehweg der Brooklyn Bridge. Es ist ein heißer Junitag – heißer, als es in New York im Juni normalerweise ist –, und der viele Stahl, der das Sonnenlicht reflektiert, macht es noch wärmer. Wir spazieren gemächlich, und links und rechts überholen uns Leute.
    Ich muss immer daran denken, dass dies seit langer Zeit mein erster Sommer ohne Ben ist. Der erste Jahreszeitenwechsel ohne ihn. Seit fast zwei Monaten habe ich überhaupt nicht mit ihm gesprochen. Die Scheidung ist rechtskräftig – die Papiere kamen vor ein paar Tagen mit der Post, ohne feierliche Fanfaren. Ich habe sie zu meiner Geburtsurkunde und meiner Sozialversicherungskarte in einen grünen Hängeordner mit der Aufschrift WICHTIGE DOKUMENTE gelegt. Und das war’s.
    Ich denke gerade an das Wort «Exmann» – wie traurig und zugleich seltsam weltklug das klingt –, während Michael darüber redet, dass die Brücke auf hölzernen Fundamenten steht.
    «Man sollte doch meinen, dass Holz verfault und zerfällt, nicht wahr?»
    «Ja», sage ich. «Aber Venedig steht auch auf Holz, und es ist verdammt viel älter.»
    «Auch wieder wahr», sagt er. «Vielleicht brauchen die Bakterien, die Holz verfaulen lassen, Luft?»
    «Keine Ahnung», sage ich.
    Exmann. Exmann. Exmann .
    «Du bist also schon mal über die Brücke gegangen?», frage ich.
    «Ja. Ein paarmal schon … einmal auch kurz nach dem elften September. Es gibt einem wirklich eine neue Sicht auf die Dinge. Du wirst schon sehen, was ich meine», sagt er. «Es ist das großstädtische Äquivalent zu einer Wanderung durch die Natur. Sehr friedvoll.»
    Ich schaue nach vorn zu den gotischen Steintürmen und dem kobaltblauen Himmel dahinter, der von einem Netz aus Stahlseilen überzogen ist. Der visuelle Effekt ist beeindruckend, aber ich sage trotzdem, dass ich die Brooklyn Bridge immer auf einer Ebene mit der Freiheitsstatue und dem Empire State Building gesehen habe.
    «Die New Yorker Wahrzeichen an sich machen sich besser auf Postkarten. Oder von oben betrachtet, aus dem Flugzeug.» Ich schwenke kurz ab, um einen Frontalzusammenstoß mit einem fettsüchtigen, keuchenden Mann in einem Baseball-Jersey zu vermeiden. «Abseits von Schmutz und Menschenmassen.»
    Michael lächelt wissend. «Du kannst ein ziemlicher Snob sein, weißt du.»
    «Ich bin wohl kaum ein Snob», protestiere ich.
    «Na, mit solchen Bemerkungen bist du mit dem Volk jedenfalls nicht auf einer Wellenlänge, würde ich sagen.» Ich merke, dass er im Geiste schon dabei ist, eine Liste von Beispielen aufzustellen. Den meisten Leuten fallen spontan keine Beispiele ein, aber Michael hat jederzeit einen ganzen Satz Fakten parat, die er gegen dich verwenden kann.
    «Das bin ich sehr wohl», sage ich.
    Und richtig, er sagt: «Mitnichten. Du magst keine Vergnügungsparks. Du magst die Fans nicht, die bei Knickerbocker-Spielen diese großen Styropor-Finger schwenken. Du würdest dich nicht mal tot an Silvester auf dem Times Square blicken lassen.»
    «Du auch nicht», sage ich.

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