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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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auseinandergelebt›.»
    «Okay», sage ich. «Ben wollte ein Kind.»
    «Und du?»
    Ich zögere, und dann sage ich: «Ich wollte – ich will – keine Kinder.»
    «Und was willst du?»
    So hat mir die Frage noch niemand gestellt. Ich muss einen Augenblick überlegen, bevor ich antworten kann. «Ich will eine wirklich gute und engagierte Beziehung haben. Ich will enge Freundschaften und ein gutes Leben. So wie jetzt … Ich will die Freiheit haben, meine Arbeit gut zu machen, ohne mich irgendjemandem gegenüber schuldig oder verpflichtet zu fühlen. Überhaupt, ich will Freiheit.»
    «Oh.» Michael trinkt einen großen Schluck Bier. «Verstehe.»
    «Sag mir, was du denkst.» Mir wird klar, dass man Kritik desto leichter einfordert und toleriert, je zurückhaltender der andere damit ist.
    «Ich weiß nicht», sagt er. «Es ist nur … verheiratet zu sein beschneidet deine Freiheit. Ein Ehepartner – oder überhaupt eine Beziehung – schränkt dich ein. Du bist damit bestens zurechtgekommen. Ich glaube, ich könnte mit solchen Einschränkungen nicht leben. Deshalb musste ich mit Maya Schluss machen.» Er meint seine Exfreundin. Es war seine ernsthafteste Beziehung bisher, und er hat sie beendet, als sie einen Ring haben wollte – oder zumindest einen Schlüssel zu seiner Wohnung. «Ich hatte solche Angst, ich könnte nicht gut darin sein, dass ich es gar nicht erst versuchen wollte … Mir scheint, du hast Ben mehr aus Angst als aus irgendeinem anderen Grund verlassen.»
    «Angst wovor?»
    Er zuckt die Achseln. «Angst vor dem Versagen. Angst vor Veränderung. Angst vor dem Unbekannten.»
    Ich sehe ihn an, und mir ist schwindlig.
    «Und jetzt stehst du trotzdem da …» Er spricht nicht weiter.
    Aber das muss er auch nicht. Ich kenne den Rest. Jetzt stehe ich trotzdem da und sehe mich alldem gegenüber. Angst vor dem Versagen, Angst vor Veränderung, Angst vor dem Unbekannten. Und hier, mitten in einer Bar unter einer Brücke in Brooklyn, verspüre ich einen leisen Stich der Reue.
    Michael sagt, er müsse jetzt nach Hause, er habe heute Abend ein heißes Date. Tatsächlich sagt er nichts von «heiß», aber das nehme ich einfach an. Michael hat nur Dates mit heißen Frauen. Also fahren wir mit der U-Bahn zurück nach Manhattan und verabschieden uns in der Lower East Side.
    «Kommst du zurecht?», fragt Michael.
    «Ja», sage ich und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. «Danke für alles.»
    «War mir ein Vergnügen.» Er legt den Finger an eine imaginäre Hutkrempe.
    Wir gehen auseinander, und ich frage mich, ob ich Montagmorgen den Mut haben werde, Michael zu gestehen, was für eine kolossale Dummheit ich vorhabe.

Neun
    Ich weiß wirklich nicht, was der eigentliche Grund dafür ist, dass ich mit der U-Bahn zu meiner alten Wohnung fahre, während ich noch bis zum heutigen Nachmittag davon überzeugt war, dass ich – von bloßen Zufällen abgesehen – Ben nie wiedersehen würde. Natürlich spielen die Martinis eine Rolle, aber es war nie meine Art, mein Verhalten derart radikal zu ändern, nur weil ich betrunken bin. Zum Beispiel habe ich mich noch nie betrunken mit jemandem eingelassen, mit dem ich nicht auch im nüchternen Zustand etwas angefangen hätte. Außerdem bin ich, als ich an der Ecke 77. Straße und Broadway aus der U-Bahn komme, nicht mehr annähernd so beschwipst wie in Brooklyn. Ich könnte mich locker zusammenreißen und wieder zu Jess nach Hause gehen.
    Deshalb glaube ich, dass mein kleiner Abstecher weniger mit dem Alkohol und mehr mit dem zu tun hat, was Michael in der Bar zu mir gesagt hat. Über die Angst als Beweggrund, mich von Ben scheiden zu lassen. Bis zum Apartment sind es ein paar Blocks, und unterwegs denke ich über meine Fehler nach und hake die Liste der Adjektive ab, die andere mir bei Streitigkeiten an den Kopf geworfen haben (und ich mir in stillen, nachdenklichen Augenblicken auch selbst): stur, voreingenommen, launisch, ungeduldig. Ich habe meinen Teil an Charaktermängeln – aber Feigheit habe ich nie dazugezählt. Im Gegenteil, ich habe mich immer als eine gesehen, die Herausforderungen annimmt und Risiken eingeht. Das ist einer der Gründe, weshalb ich im Beruf so erfolgreich bin.
    Trotzdem haben Michaels Worte einen wahren Klang. Vielleicht habe ich einfach nur Angst. Vielleicht habe ich Ben gehen lassen, weil die Angst davor, ein Kind zu bekommen, tatsächlich stärker war als die Tatsache, dass ich keins wollte. Vielleicht hatte ich Angst vor der Person, die ich dann

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