Und trotzdem ist es Liebe
überraschen.
Am dritten Abend nach dem Ausbleiben ihrer Periode gehen wir ins Koi, ein Sushi-Restaurant in der Second Avenue, ganz in der Nähe ihrer Wohnung, obwohl es Freitagabend ist und wir eigentlich jede für sich auf eine Party hatten gehen wollen. Ich bin zu müde, und Jess sagt, sie habe keine Lust auf Partys, wenn sie nichts trinken dürfe.
«Hör auf, Jess. Glaubst du denn wirklich, du bist schwanger?», frage ich und breche meine Essstäbchen auseinander.
Jess rattert die Symptome herunter. Sie fühlt sich erschöpft und aufgedunsen. Ihre Titten sind schwer und tun weh. Sie spürt es einfach. Sie weiß es.
Ich schaue sie an und denke, das alles habe ich schon oft gehört. «Erstens: Du weißt, dass das alles auch prämenstruelle Symptome sind. Zweitens: Du bist eine Hypochonderin, die schwanger sein will . Da fühlst du so etwas zwangsläufig.»
«Ich bin keine Hypochonderin», sagt Jess empört.
«Doch, das bist du», sage ich. «Weißt du noch, wie wir mal gezeltet haben und du danach ganz sicher warst, du hast Borreliose? Du bist sogar in eine Online-Selbsthilfegruppe für Borreliose-Opfer gegangen!»
«Ja. Ich hatte alle Symptome», sagt sie. «Das war unheimlich.»
«Du dachtest , du hättest alle Symptome.»
Sie betupft sich den Mund mit der Serviette. «Okay. Ich finde jedenfalls, nach dem Essen sollten wir einen Test machen.»
Ich seufze. «Wie viel, glaubst du, hast du für solche Tests schon ausgegeben?»
«Ich sag’s dir. Diesmal fühlt es sich anders an.»
«Okay. Dann sag mir auch: Was wirst du tun, wenn du schwanger bist und Trey seine Frau trotzdem nicht verlässt?»
«Er verlässt sie.»
«Aber wenn nicht?»
«Dann habe ich immer noch das Baby.» Sie tunkt eine California Roll in die Sojasauce. Sie hat bereits verkündet, dass sie keinen rohen Fisch mehr anrührt. Für alle Fälle. «Dann bin ich eben eine alleinerziehende Mutter. Davon gibt es viele.»
«Würdest du weiterhin ganztags arbeiten?»
«Natürlich. Ich liebe meinen Job.»
«Also würdest du ein Kindermädchen einstellen?»
«Oder zwei.»
Beinahe sage ich: Was hat es dann für einen Sinn, ein Kind zu haben? Aber irgendetwas hindert mich daran. Etwas sagt mir: Das Letzte, was mir zusteht, ist ein Urteil über die Entscheidung einer anderen Frau in Bezug auf Kinder.
Auf dem Heimweg springt Jess in einen Drugstore und kauft einen Schwangerschaftstest. Sie überfliegt das, was hinten auf der Schachtel steht, und erklärt, sie werde bis morgen früh warten, weil das Resultat dann verlässlicher sei. Ich werfe ihr einen skeptischen Blick zu: Ich weiß, es ist buchstäblich ausgeschlossen, dass sie es über sich bringt, bis morgen zu warten. Wenn wir zu Hause sind, wird sie es noch eine Stunde aushalten. Plus/minus.
Ich fange schon an zu glauben, dass ich mich geirrt habe, als ich Jess telefonieren höre. Sie redet im Investmentbanker-Jargon, etwas über Discountraten und Exit Multiples. Sie könnte auch Portugiesisch sprechen. Dann höre ich sie sagen: «Hör zu, Schroder. Hier geht’s nicht um Weltraumforschung. Wenn du Weltraumforschung willst, such dir einen Job bei der NASA. Also. Bis morgen will ich die verdammte Präsentation haben, und zwar in einer Schrift, die groß genug ist, dass der senile Vorstand sie lesen kann!»
Ich muss lächeln. Nie im Leben ist Jess schwanger. Sosehr sie sich ein Baby wünscht – ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Zumindest nicht in diesem Moment.
Aber ein paar Minuten später kommt sie in mein Zimmer gestürzt und hält einen Plastikstreifen in der Hand. Ich sitze auf meinem Bett und schnappe nach Luft.
«Schau. Ein Kreuz.» Sie hält mir den Streifen unter die Nase. Ihre Hand zittert.
«Du bist schwanger?», frage ich ungläubig, ungeachtet des wissenschaftlichen Resultats vor meinen Augen.
«Ich bekomme ein Baby.» Jess ist den Tränen nahe. Tränen des Glücks. Tränen, die man vergießt, wenn man bei der Olympiade auf dem Podest steht und mit dem Mund die Worte von «The Star-Spangled Banner» formt.
«Wow», sage ich und rutsche auf die Bettkante. «Ich glaub’s nicht.»
«Ich auch nicht», flüstert Jess.
«Hast du Trey angerufen?»
«Ja. Er meldet sich nicht.»
«Hast du eine Nachricht hinterlassen?»
«Ja. Ich habe gesagt, es ist wichtig …» Sie lässt den Rest in der Schwebe.
«Wie fühlst du dich?»
«Ich habe Angst», sagte sie. «Ich bin überwältigt … aber glücklich.»
Ich umarme sie und flüstere ihr meine Glückwünsche ins
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