Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
Vom Netzwerk:
Ohr. Dann lassen wir uns los, starren uns an, starren den Streifen an, starren uns an.
    «Was denkst du?», fragt sie nach langem Schweigen.
    Ich schüttle den Kopf. Eine Woge von wirren, verrückten Empfindungen flutet über mich hinweg. Vor allem habe ich Angst um meine beste Freundin. Ich weiß, wie hoffnungsvoll sie ist, wie sehr sie sich wünscht, dass es mit Trey doch noch klappt, und wie furchtbar es für sie sein wird, wenn sie im Laufe der nächsten neun Monate von der Realität eingeholt wird. Unwillkürlich empfinde ich aber auch leisen Ärger über Jess, weil sie sich das antut, weil sie auf diese Weise Mutter werden will. Ich nehme ihr übel, dass sie in ihrem Leben falsche Entscheidungen trifft, und ich frage mich, wie diese unvernünftigen Entscheidungen sich auf mich und mein Leben auswirken werden. Ich wollte kein Baby mit Ben, meinem Ehemann , und dann will ich erst recht keins mit meiner Freundin. Aber wäre es nicht abscheulich von mir, auszuziehen, wenn meine Freundin schwanger ist und mich braucht? Wäre es nicht furchtbar, wenn ich sie in einer so kritischen Zeit im Stich lassen würde?
    Aber unter all diesen naheliegenden Reaktionen verbirgt sich noch etwas, das mir einen seltsamen Stich versetzt. Wenn ich ausziehe und mich von Jess und ihrem Baby zurückziehe, werde ich mich ausgeschlossen fühlen. Ich werde bei etwas Außergewöhnlichem nicht dabei sein. Jess’ Leben wird so viel mehr sein als mein Leben. Fast ist es, als wäre ich neidisch auf sie. Das ist verrückt, denn natürlich will ich kein Baby. Ich will keins.
    Ich frage mich, was ich mich immer frage, wenn mich solche irrationalen, unkontrollierten Regungen überkommen: Ist es normal, so zu empfinden? Denken auch andere Leute mit Wehmut an etwas, das sie gar nicht haben wollen? Ich hoffe, die Antwort ist ja, denn es ist immer tröstlich, zu wissen, dass du nicht allein bist. Dass andere Leute genauso empfinden wie du. Dass du zwar ein bisschen verdreht bist, aber immer noch normal .
    Jess lässt sich auf mein Bett sinken und starrt zur Decke, und ich suche nach einer Analogie, mit der ich verdeutlichen kann, was ich empfinde. Meine Gedanken landen bei meiner ersten Liebe, Charlie, dem ich immer noch manchmal begegne, wenn ich zu Hause in Huntington bin. Charlie ist Feuerwehrmann dort; das bedeutet, er verbringt seine Werktage damit, streunende Hunde und Katzen zu retten und in unserer alten Grundschule Vorträge über Brandschutz zu halten. An den Wochenenden schaut er sich die Spiele der Jets im Fernsehen an, raucht mit seinen High-School-Kumpeln eine Camel Light nach der anderen und spielt mit seinen vier Kindern im Garten. Ich möchte wetten, Charlie besitzt keinen Pass und hat seit der Schulzeit kein Buch mehr gelesen. Kurz, sein Leben ist ganz anders als meins, und ein Leben mit Charlie würde mir niemals genügen. Aber wenn ich ihn sehe, spüre ich immer noch eine sanfte Sehnsucht bei der Erinnerung daran, wie es war, mit sechzehn an einem warmen Sommerabend aus dem Kino zu kommen und dann irgendwo zu parken und in Charlies Auto zu knutschen und die Kassette mit Lovesongs zu hören, die er zusammengestellt hatte. Trotzdem verwechsle ich dieses Gefühl nicht mit dem Wunsch, tatsächlich mit Charlie zusammen zu sein.
    Ebenso will ich kein Baby, und trotzdem versetzt es mir einen Stich. Einen sehr kleinen Stich, aber er genügt, um mich herausplatzen zu lassen: «Wenn ich gewusst hätte, dass das passieren wird …»
    Jess reißt die Augen auf. Sie sagt meinen Namen, langsam und wie eine Frage.
    «Was denn?», frage ich unschuldig.
    «Bereust du etwas?»
    «Weshalb?»
    «Wegen Ben? Dass du kein Baby haben willst? Ein Baby von Ben?» Sie sieht mitfühlend, misstrauisch und hoffnungsvoll zugleich aus.
    «Nein!», sage ich mit Nachdruck. «Sei nicht albern. Ich bereue nichts.»
    «Na, das ist wahrscheinlich auch gut so», sagt Jess langsam. «Denn wenn du etwas bereutest, wäre dein Leben wahrscheinlich noch zehnmal verkorkster als meins in diesem Augenblick.»
    Ich sehe sie an und wiederhole: «Ich bereue nichts.»

    Am nächsten Morgen bleibe ich im Bett und lese zum ungefähr fünfzigsten Mal Sturmhöhe . Es ist mein unangefochtenes Lieblingsbuch, schon immer. Und ich glaube, jetzt, nachdem meine eigene Beziehung zu Ende ist, liebe ich es noch mehr. Auf eine perverse Weise genieße ich es beinahe, die gleichen Qualen zu erleiden wie Cathy wegen Heathcliff.
    Ich finde meine Lieblingsstelle und lese sie laut: «Der eigentliche

Weitere Kostenlose Bücher