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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer-Fleming Julia
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demselben Weg herausspazierte, auf dem man hineingegangen war. Hätte sie allerdings jetzt jemand aufgefordert, den Weg zurück nach Muster Field allein zu finden, hätte sie nicht gewusst, ob sie das schaffen würde. Wie breit war dieser Teil der Adirondacks eigentlich? Zwei Meilen? Zweihundert?
    Eine weitere Botschaft, aufgeregt diesmal, flog von rechts die Linie entlang. Die Rufe »Cody, wo bist du?« erstarben, während die Helfer die Nachricht weitergaben wie eine olympische Fackel. Hadley spürte bereits die Erleichterung – Gott, wenn es ihr Kind wäre, hätte sie schon halb den Verstand verloren –, als die Frau rechts sich zu ihr umdrehte und sagte: »Officer Knox wird am anderen Ende der Reihe verlangt.«
    Hadley blieb stocksteif stehen. Officer Knox?
    Die Frau machte eine drängende Geste. »Weitergeben.«
    »Äh.« Hadley kam sich noch stärker als sonst wie eine Hochstaplerin vor, als sie erwiderte: »Ich bin Officer Knox.«
    Die Frau konnte erkennen, dass sie ein aufgelegter Schwindel war, denn ihre Augen traten vor, und sie fragte: » Sie sind Polizistin?«
    Hadley hielt sich nicht mit einer Antwort auf. Sie rief den Mann zu ihrer Linken, damit er ihren Platz einnahm, und machte sich auf den Weg zum anderen Ende der Reihe. Wofür, zum Teufel, brauchte man sie? Ihr fiel nichts ein. Die übrigen Helfer, die Soldatendarsteller ebenso wie die Leute von St. Alban’s, starrten sie an, als sie an ihnen vorbeilief. Hadley Knox, die Polizistendarstellerin. Kevin Flynn hätte niemand angezweifelt, wenn er hier gewesen wäre. Vielleicht sollte sie mit Gewichtheben anfangen. Aber als sie das zwischen Hudsons und Gennys Geburt probiert hatte, um sich wieder in Form zu bringen, hatte sie starke Ähnlichkeit mit Lara Croft, Tomb Raider, entwickelt. Das würde ihre Glaubwürdigkeit auch nicht gerade erhöhen.
    Die Reihe hatte sich bis zum Zerreißen aufgefächert. Hinter dem letzten Sucher konnte sie vier oder fünf Menschen in einer Gruppe zusammenstehen sehen. Unter ihnen Reverend Clare, die mit erhobenem Kopf in Hadleys Richtung schaute, doch alle anderen konzentrierten sich auf den Boden. Ihr Magen brannte. Oh, mein Gott, mach, dass dem Baby nichts passiert ist. Angst kroch ihr Rückgrat empor, als sie unter den grimmig blickenden Menschen Anne Vining-Ellis ausmachte, die Notärztin. Hadley zwang ihre in Turnschuhen steckenden Füße zum Trab. Sie wollte es nicht wissen, aber die Ungewissheit ertrug sie auch nicht länger.
    »Was ist das?«, fragte sie, noch ehe sie etwas sehen konnte. »Was ist das?«
    Alle schauten auf. Starrten sie an. Machten Platz. Weil sie erwartet hatte, ein Kleinkind zu sehen, konnte Hadley zunächst nichts anfangen mit dem Durcheinander aus Erde, totem Laub, Elfenbein und … und …
    Das Elfenbein waren Knochen.
    »Wir haben eine Leiche gefunden«, sagte Reverend Fergusson.
    II
    »Noch einer, was? Hatte da jemand keine Lust mehr, Mais anzubauen?« Doc Scheeler grinste über seinen Witz, die Zähne blitzten weiß in seinem schwarzen Bart.
    Russ kniff sich in den Nasenrücken. »Weiß der Himmel.« Er sah sich auf Muster Field um, das wie eine Kreuzung aus städtischem Parkplatz und Zirkus wirkte: Krankenwagen und Leichentransporter, drei Streifenwagen und ein Fahrzeug der Hundestaffel der Staatspolizei, Leinwandzelte und tragbare Grills, Geländewagen, Trucks, Kombis und Limousinen, Menschen, gekleidet für schwere Arbeit im Wald, für ein Picknick, für eine Revolution. Gegen sechzehn Uhr begann die Frühlingssonne allmählich nach Westen zu wandern, und es war immer noch so warm, dass Russ sich wünschte, man könnte auch in Shorts Autorität ausstrahlen.
    Scheeler warf seine Ausrüstung über die Schulter. Er gehörte zu denen, die für den Wald angezogen waren, in fester Cargohose und einer orangen Warnweste über dem Hemd. Russ war dankbar, dass Emile Dvorak, ihr eigentlicher Pathologe, heutzutage die meisten Fälle abtrat. Er hätte den Marsch in den Wald mit seinem versehrten Bein nicht bewältigt. »Gehen wir«, sagte Scheeler.
    »Ich gebe Officer Knox Bescheid, damit sie sich um Sie kümmert«, sagte Russ. »Ich treffe Sie dort draußen. Ich muss mich erst auf den neuesten Stand bringen lassen, was die Suche nach dem vermissten Jungen angeht.«
    »Ich will mit demjenigen sprechen, der die Leiche gefunden hat. Sie sicher auch.«
    Russ winkte ab. »Dr. Anne Vining-Ellis gehörte zu der Gruppe, aber ich habe keine Ahnung, wo sie im Augenblick steckt. Vermutlich behandelt sie

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