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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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die Achseln. »Vielleicht sind sie sogar verwandt.« Sie hob die Stimme. »Kennst du Octavio von daheim, Amado?« Der junge Mann starrte sie an. »Octavio? ¿Un amigo? « Er umklammerte den Rucksack fester und fuhr fort, sie anzustarren wie ein kopfscheues Pferd.
    »Alles in Ordnung, Amado. Steigen Sie doch schon in den Wagen.« Clare drehte sich um. »Ich muss jetzt mit ihm zur Kirche fahren, Janet. Bitte denken Sie über unser Gespräch nach.« Im Vertrauen darauf, dass es für Kevin wie eine freundliche Geste wirken würde, ergriff sie die andere Frau am Arm. »Officer Flynn, viel Glück bei Ihren äh, Ermittlungen. Sie tragen große Verantwortung.«
    »Tatsächlich, nicht?« Er strahlte. »Bis später, Reverend. Genießen Sie den Rest der Feiertage.«
    Freitagabend war sie in ihrer Kirche überfallen worden. Sonntag hatten sie beim jährlichen Picknick zwei Leichen gefunden. Sie öffnete den Mund, um auf diese beiden Tatsachen hinzuweisen, dann klappte sie ihn angesichts der fröhlichen Miene des jungen Officers wieder zu. »Danke, Kevin, ich werde es versuchen.«
    III
    An diesem Abend ging sie in die Kirche, um zu beten. Sie hatte nicht damit gerechnet, wie deplaziert sie sich mit einem Hausgast fühlen würde, eine Beeinträchtigung, die durch Amados schüchterne Förmlichkeit und das Fehlen einer gemeinsamen Sprache umso deutlicher wurde. Ihre innere Unruhe wurde auch nicht dadurch gelindert, dass sie jedes Mal, wenn sie am Sofa vorbeiging oder sich an den Küchentisch setzte, von erotischen Erinnerungsfetzen heimgesucht wurde, bei denen ihr so heiß wurde, dass sie sich fragte, ob sie am Beginn der Wechseljahre stand. Wann hatte sie das letzte Mal Sex gehabt? Das genaue Jahr konnte sie nicht bestimmen, aber es war mindestens zwei Präsidentschaftswahlen her. Sie hatte lange Zeit zölibatär gelebt. Lange Zeit.
    Deshalb flüchtete sie nach St. Alban’s. Sie liebte es, hier abends allein zu sein, die Kerzen zu entzünden und am Hochaltar die Komplet zu lesen. Sie würde die Inschrift an der Marmorkante lesen – BETE FÜR DIE SEELE VON REVEREND DR. MATHIAS ARCHIBALD DUNN, PASTOR DIESER KIRCHE – und beten, obgleich sie vermutete, dass der verstorbene Dr. Dunn sich jedes Mal im Grab umdrehte, wenn eine ordinierte Frau an seinem Altar das Brot brach. An diesem Abend verharrte sie lange in der Stille und dem Schein der Kerzen, betete um Erleuchtung, darum, Gottes Willen zu erkennen, zu erkennen, was sie tun musste.
    Besuche Lucia Pirone.
    Unvermittelt tauchte dieser Gedanke ausformuliert in ihrem Verstand auf. Ihre Hände sanken herab, und sie hob den Kopf. Natürlich. Sie sollte Schwester Lucia besuchen. Persönlich.
    Du hättest sie schon vor Wochen anrufen sollen.
    Das war die Stimme von Großmutter Fergusson, nicht die des Allmächtigen. Morgen würde sie zum Reha-Zentrum fahren und der Missionarsnonne ihr Herz ausschütten. Wenn sie selbstgebackenen Kuchen mitbrachte, dachte sie, während sie geistesabwesend über Dr. Dunns Namen rieb, würde sie sowohl Gott als auch ihre Großmutter zufriedenstellen.
    IV
    »Clare! Wie schön, Sie zu sehen.« Schwester Lucias Blick war so lebhaft wie immer, aber ihre Hand zitterte, als sie Clares ergriff. »Und was ist das? Für mich?« Sie beugte sich hustend vor, um die Schachtel entgegenzunehmen, die Clare mitgebracht hatte.
    »Ich helfe Ihnen«, sagte Clare. Sie löste die Schleife und nahm den Deckel ab.
    »Gütiger Himmel. Sehen die lecker aus. Sind das Pekannussplätzchen? Und« – Schwester Lucia nahm einen runden Keks und steckte ihn in den Mund – »Bourbon Balls?« Sie kaute und schluckte mit geschlossenen Augen. »Die habe ich nicht mehr gegessen, seit ich das letzte Mal in Texas war. Wo haben Sie die hier oben gefunden?«
    »Die habe ich heute Morgen selbst gebacken.« Sie grinste. »Eine Flasche Bourbon darf ich Ihnen ja nicht mitbringen.«
    »Die reichen für den ganzen Flur! Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«
    »Betrachten Sie es als Bußübung. Ich hätte Sie schon lange besuchen müssen. Wie geht es Ihnen?«
    »Tja, die Lungenentzündung ist abgeklungen, und man hat mir versichert, das sei gut. Aber dadurch bin ich mit der Therapie für die verflixte Hüfte in Verzug.« Sie schnitt eine Grimasse. »Eine gebrochene Hüfte. Wenn mir das nicht sagt, dass ich eine alte Frau bin, was dann? Ach, nun ja.« Sie musterte Clare eindringlich. »Ich schätze, Sie sind nicht den ganzen Weg von Millers Kill hierhergefahren, um mit mir über meine

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