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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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ihres Lächelns, die unwiderstehliche Tiefe ihres Blicks. Ihre auf den frühesten Bildern noch verborgene, fast kindliche Kraft trat von Jahr zu Jahr stärker in den Vordergrund, als aus dem Mädchen eine Frau geworden war, die Frau eines Polizisten.
    Er brauchte sich ein Bild bloß anzuschauen, und schon stand wieder der ganze Tag vor ihm, was sie gemacht hatten und wie das Wetter gewesen war: Simone und er an der Amstel, sie saßen am Ufer auf einer Decke, tranken Weißwein und aßen frittierte Muscheln. Es war ein Tag mit einem scharfen, kräftigen Licht, das über den ruhig strömenden Fluss flirrte. Die Luft roch nach Jod und Teer, und die Möwen zerrissen den Dunst mit schmerzend weißem Flügelschlag. Ihre Schreie klangen blau und traurig. Ein Frachter zog vorbei. Wellen brachen sich an den Kaimauern und bespritztensie mit Schaum, Sommerschnee , hatte Simone gesagt. Aber wer hatte das Foto aufgenommen?
    Andere Bilder zeigten Simone in einer arabischen Couscous-Kneipe, beim Billard oder im Regen unter einer Platane; die hatte er gemacht. Es gab Fotos von ihm bei einem Glas Rotwein auf dem Leidseplein, mit dem Fahrrad am Strand von Zandvoort, auf einem Kutter im Hafen; die hatte sie aufgenommen. Sie hatten immer zwei Bilder geknipst, eins von ihm und eins von ihr, nur ab und zu hatten sie jemanden gebeten, ein Foto von ihnen beiden zu machen.
    Wir waren glücklich, ohne es zu merken, dachte Van Leeuwen beim Anblick der Fotos. Wir hatten mehr glückliche Jahre als die meisten, aber wir haben nie so getan, als hätten wir einen Anspruch darauf. Es war einfach ein anderes Leben von zwei anderen Menschen, an das von ihnen beiden nur einer sich noch erinnern konnte.
    Dennoch tat es weh. Ihm fehlte ihr Gesicht, für das es einfach keine andere Bezeichnung als lieblich gab. Ihm fehlten die großen, bernsteinbraunen Augen, in die er sich vor fast vierzig Jahren als Erstes verliebt hatte. Ihm fehlte die kleine, zarte Nase. Ihm fehlten der vollkommene Schwung ihres Mundes und der schlanke, lange Hals. Ihm fehlten die Berührungen, ihre Hand zu halten oder ihr über das igelkurz geschnittene Haar zu streichen.
    So ist es nun mal, dachte er. Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu sein. Und außerdem, es gab inzwischen auch Zeiten, in denen er es genoss, seine Wohnung am Abend leer vorzufinden, so wie er sie verlassen hatte. Zeiten, in denen er die Ruhe als Geschenk empfand. In denen niemand ihn anrief und ihm sagte, dass seine Frau einfach weggelaufen war; dass man sie in den Straßen herumirrend aufgegriffen hatte.
    Er begann, die Fotos zusammenzuräumen und wieder in die Kuverts zu stecken. In seinem jetzigen Leben war er allein, ein Offizier in der Kriminalpolizei der Königin, der einen neuen Mord aufzuklären hatte. Ohne die Patina aus alten Fotos sah er die Wohnung zum ersten Mal seit Langem wieder so, wie sie die ganze Zeit unter der Schicht der Erinnerung dagelegen hatte. Er stellte fest, dass es mit dem Wegräumen der Vergangenheit nicht getan war.
    Er holte Besen, Eimer, Wischlappen und Scheuerbürste aus einem Schrank in der Küche. Er klopfte Staub und Flusen von den Polstern der Couch im Wohnzimmer und wischte die Armstützen mit einem feuchten Lappen ab. Er wischte auch die Ledersessel ab, den Couchtisch, die Bücherregale, den Fernseher. Danach sprühte er das übrige Mobiliar mit Glanzspray ein, polierte sämtliche Oberflächen und wischte den Staub von den Rahmen der Gemälde an den Wänden. Er stieg auf einen Stuhl und säuberte den Schirm der Deckenlampe. Er saugte die Teppiche und Brücken ab. Auf Händen und Knien bohnerte er die Dielenbretter. Er ließ aber die Fenstersimse aus, auf denen noch immer die Schalen mit Simones Schätzen standen – Kastanien, Münzen, Knöpfe, Gummibänder, der ganze Krimskrams, den sie gesammelt und gehortet hatte, als sie nicht mehr begriff, was sie tat. Dafür wischte er die Böden der Schränke aus und putzte Herd, Kühlschrank und Küchentisch. Zuletzt schrubbte er die rechteckigen weißen und schwarzen Bodenkacheln mit Seifenlauge.
    Als er mit dem Putzen fertig war, duschte er und zog eine bequeme Hose, ein frisches Hemd und Mokassins an. Für einen Mann von dreiundfünfzig Jahren hatte er seinen Körper ziemlich ordentlich in Schuss gehalten, und wenn er das Handtuch nach dem Duschen eng genug knüpfte, wirkte sogar der Bauch noch flach. Er konnte sich nicht erinnern, je untrainiert ausgesehen zu haben, aber erst die drei verschieden großen Narben, die seit

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