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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Gallos Hände am Lenkrad und die Glut der Zigarette, die Brigadier Tambur auf dem Rücksitz rauchte. Dann tauchte am Ende der grün verkleideten Röhre der Himmel über Noord auf, und die Spiegelung verschwand.
    »Wisst ihr, was ich glaube?« Gallo wechselte das Thema. »Dass Mijnheer Kapur Amir entlassen hat, weil der junge Kellner seiner Frau ein bisschen zu gut gefallen hat.«
    »Schon wieder die Telenovela«, sagte Julika.
    »Immerhin war er ein ziemlich hübscher Bursche, das konnten selbst die Schnittwunden nicht verbergen. Vielleicht legte er es drauf an, ein kleiner Casanova, der es bei jeder Frau allzu leicht hatte und der der Versuchung nicht widerstehen konnte.«
    »Und deswegen hat der Täter auch sein Gesicht entstellt, meinst du?«, fragte Julika.
    Gallo steuerte den Wagen in den Johan van Hasseltweg, bevor er an der nächsten großen Kreuzung in die Meeuwenlaan bog. In dieser Gegend waren nur wenige Autos unterwegs. Ungepflegte Rasenflächen wechselten sich mit niedrigen, dunkel geziegelten Häuserblocks ab. Der Wagen passierte einen Billig-Supermarkt und ein mehrstöckiges Wohnsilo aus Beton mit der geheimnisvollen Aufschrift Motorwall 300 , auf dessen Balkonen Autoreifen, Liegestühle, Sperrmüll, Satellitenschüsseln und bunt behängte Wäscheleinen eindrucksvoll Zeugnis vom Lebensgefühl der über das IJ nach Noord abgeschobenen Einwanderer ablegten.
    Am Straßenrand tauchte ein türkisgrün gekacheltes Haus auf, dessen winzige Fenster wie goldgerahmte Schlüssellöcher gestaltet waren. Auf einem schlanken Zwiebelturm über dem kleinen Gebäude schimmerte ein Halbmond in der diesigen Luft. Der Commissaris vermutete, dass die Fenster der Moschee das Schloss zum Paradiesdarstellen sollten. »Wir sind zu weit gefahren«, sagte er. »Du hättest vor dem Supermarkt links abbiegen müssen.«
    Gallo wendete neben einer Bushaltestelle und fuhr zurück. Eine Gruppe farbiger Jugendlicher in roten Jogginganzügen folgten dem Manöver mit verschlossenen Gesichtern. Hinter dem spärlich besetzten Parkplatz des Supermarkts, wo junge Frauen mit Schleiern und Kopftüchern Kinderwagen mit Einkäufen zu den Autos ihrer Männer schoben, begann das, was Van Leeuwen immer die Geisterbahn nannte – schäbige Lagerschuppen auf ungepflegten Grundstücken, flache Garagen voller Autoersatzteile, fensterlose Spielhallen, Cabarets mit verrammelten Türen und Werkstätten mit halb heruntergelassenen Rolltoren, hinter denen Sportwagen und Limousinen frisiert und umgespritzt wurden.
    »Da vorne ist es«, sagte der Commissaris. Da vorne hieß: hinter dem Lagerhof mit Türmen von abgefahrenen Lastwagenreifen, hinter dem unkrautüberwucherten Bootsfriedhof, hinter dem Fitness Centrum Bionic , hinter einer Shell-Zapfsäule unter einem Betondach, hinter dem Erotisch Café Cattier , hinter dem Peugeot-Ersatzteilmarkt, hinter dem Paradise – Club of the Year! , bei dessen Anblick Van Leeuwen sich unwillkürlich fragte, um welches hoffnungslose Jahr in welch finsterer Vergangenheit oder welch düsterer ferner Zukunft es sich handeln mochte.
    Auch der Palast der 1000 Gewürze sah nicht aus wie ein Palast. Er sah aus wie jede Lagerhalle im Gewerbegebiet, deren weiße Betonmauern schon lange nicht mehr gestrichen worden waren und deren Blechdach nach und nach dem Rost zum Opfer fiel. Die Fenster waren klein und schmutzig, aber die Gitter davor schienen erst kürzlich angebracht worden zu sein. Über dem Rolltor an der Stirnseite der Halle stand in roten Buchstaben Palace of 1000 Flavours , darunter etwas kleiner Radschiv Singh Sharma & Sons und noch weiter unten Spice Grocery.
    Vor dem Tor lag ein asphaltierter Frachthof, der von einem Wellblechzaun begrenzt wurde. Ein zweites Tor mit weit geöffneten Flügeln aus Zangendraht gestattete die Zufahrt von der Straße, und dahinter luden mehrere Surinamesen in Jeans und T-Shirts Kistenvon einem lehmbespritzten Scania-Lastwagen mit italienischem Kennzeichen und trugen sie durch das Rolltor in die Halle.
    Gallo lenkte den Funkwagen an dem italienischen Truck vorbei und parkte im Schatten eines großen Wohnwagens mit Aluminiumverkleidung. Neben dem Rolltor lehnten ein Dutzend Fahrräder an der Hallenwand, und etwas weiter entfernt, bei einem großen Müllcontainer, stand eine neongrüne Vespa in der prallen Sonne. Andere Fahrzeuge entdeckte Van Leeuwen nicht, keinen Lieferwagen der Firma Sharma & Sons , keinen magentaroten Mercedes.
    Die jungen Männer, die sich mit den Kisten abmühten, taten,

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