Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
Zusammenhang steht? War es nicht der Zoll, der Amir Singh damals hochgenommen hat? Ein Undercover-Mann der Zollfahndung?«
»Kann reiner Zufall sein«, warf Brigadier Tambur vom Rücksitz ein. »Wenn es um Rauschgift geht, arbeitet die Drogenfahndung fast immer mit dem Zoll Hand in Hand.«
»Es gibt keine Zufälle«, sagte der Commissaris. »Nur das Schicksal, das sich tarnt.«
Gallo sagte: »Ich werde einfach mal nachfragen, warum die den Palast im Visier hatten! Woher dieser Verdacht kommt, mit derSchmuggelware.« Er griff nach dem Telefon am Armaturenbrett und tippte mit dem Daumen der rechten Hand eine Reihe von Ziffern, während er mit der linken das Lenkrad hielt. Er fuhr schnell, aber sicher, als wäre er mit dem Wagen verwachsen. »Ja, hallo, hier spricht Ton Gallo vom Hoofdbureau van Politie Amsterdam-Amstelland«, sagte er in den Hörer. »Wie war Ihr Name noch mal? Ich schalte Sie auf Lautsprecher, Hoofdagent De Vries. Wundern Sie sich nicht über den Lärm, wir sind im Wagen unterwegs. Es geht um einen gewissen Sharma, Radschiv, Gewürzimporteur hier in Amsterdam Noord. Nach unseren Informationen haben Sie am Morgen des 20. Juni sein Lager durchsucht, den Palast der 1000 Gewürze. Können Sie uns sagen, was der Anlass für diese Durchsuchung war? Bestand irgendein konkreter Verdacht? Oder wenigstens ein Anfangsverdacht? Sind Sie einem bestimmten Hinweis nachgegangen?«
Aus dem kleinen Lautsprecher unter dem Armaturenbrett drang nur ein leises Knistern. Dann fragte eine Männerstimme: »Warum interessieren Sie sich für Radschiv Sharma?«
»Sein Name ist im Zusammenhang mit einer Morduntersuchung aufgetaucht«, sagte Gallo. »Der Name des Opfers ist Amir Singh.« »Handelt es sich um ein Amtshilfeersuchen?«
»Nein, es handelt sich um ein Telefongespräch.«
Wieder erklang nur Knistern im Lautsprecher. »Ich verstehe«, sagte die Männerstimme nach einer Pause. »Dann sollten Sie mit Hoofdinspecteur Dekker reden.«
Dekker, dachte Van Leeuwen. Henk Dekker, an den Namen konnte er sich aus Amir Singhs Akte erinnern; er hatte die Verhaftung durchgeführt. Damals war er noch Inspecteur gewesen. Er sagte: »Können Sie uns mit ihm verbinden?«
»Er ist im Moment nicht an seinem Platz.«
»Wo ist er denn?«
»Er ist dienstlich unterwegs.«
»Aber Sie haben doch sicher die Möglichkeit, mit ihm Kontakt aufzunehmen.«
»Ja, wenn es wichtig ist.«
»Es ist wichtig«, schaltete sich Van Leeuwen ein. »Sagen Sie ihm,er soll sich bei uns melden. Bei Commissaris Van Leeuwen oder Hoofdinspecteur Gallo im Präsidium.«
»Eine Frage noch«, warf Gallo ein. »Können Sie uns wenigstens sagen, was Sie auf dem Gelände der Sharmas gesucht haben?«
»Das kann Hoofdinspecteur Dekker Ihnen besser beantworten. Die Razzia fiel in seinen Bereich und fand auf seine Initiative statt.«
»Was ist denn Hoofdinspecteur Dekkers Bereich genau?«, fragte Van Leeuwen.
»Das müssen Sie ihn selbst fragen«, sagte die Männerstimme. »Ich werde ihm sagen, dass Sie ihn sprechen wollen. Er wird sich bei Ihnen melden.« Am anderen Ende der Leitung wurde der Hörer aufgelegt, und als der Wagen den Tunnel verließ, verstummte auch das Knistern in der Leitung. Gallo hängte den Hörer in die Halterung und sagte: »Hoofdagent De Vries ...«
»Mir ist gerade ein Gedanke gekommen«, sagte Brigadier Tambur. »Die Douane ist doch dem Belastingdienst, also der Steuerbehörde, unterstellt, und die Zentrale ist im Finanzministerium in Den Haag –«
»Und?«
Julika beugte sich vor. »Ich meine nur, eine Firma wie Sharma & Sons zahlt doch Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Grundsteuer, was weiß ich, aber alle Sharmas erzählen uns dauernd, wie schlecht das Geschäft läuft. Ich finde, das sollten wir mal anhand der Steuererklärungen überprüfen, also, wie ihre wirtschaftliche Lage tatsächlich ist, ob sie vielleicht ohne einen kleinen Nebenverdienst gar nicht über die Runden kämen –«
»Oder ob die Geschäfte in Wirklichkeit so gut gehen, dass es Neider auf den Plan gerufen haben könnte«, ergänzte der Commissaris. »Das war eine gute Idee, Brigadier Tambur. Ach, was ich dir noch sagen wollte: Wie du heute angezogen bist, das gefällt mir.«
Am Abend saß der Commissaris zu Hause an seinem Schreibtisch und starrte auf die Beurteilungsbögen. Das Papier lag weiß und unbeschrieben im Lichtkreis der Lampe, der gerade bis zum Randder Schreibtischkante reichte. Es war eine helle Insel in seinem dunklen Arbeitszimmer,
Weitere Kostenlose Bücher