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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Eifersucht? Starke Gefühle, und jedes konnte unvorstellbare Formen annehmen, die stärker waren als Vernunft, Erziehung oder alle gesellschaftlichen Normen. Sie flammten so jäh und glühend auf wie Schweißbrennerflammen, und in ihrem sengenden Fauchen schmolzen alle Barrieren des Gehirns und der Seele. Es war so heftig, dass der Schädel, die Brust es nicht mehr eindämmen konnten.
    Er schob die Beurteilungsbögen zusammen und fand, dass er sich jetzt einen Schluck Rotwein verdient hatte. Er ging durch die dunkle Wohnung in die Küche, knipste das Licht an und öffnete die Vorratskammer. Er holte eine Flasche Montepulciano heraus, entkorkte sie und stellte sie auf den Tisch, damit der Wein atmen konnte.
    Sein Blick fiel auf die Gewürzdosen, die im obersten Fach der Kammer nebeneinanderstanden. Lauter Namen wie aus dem Alten Testament oder einer Fantasysaga im Kino: Anis erkannte Koriander, und Koriander zeugte Majoran, und Majoran zeugte Oregano, und Oreganos Lenden entsprang Thymian, dem der Safran entsprang, und Safran wiederum zeugte Fenchel ...
    Van Leeuwen wusste nicht allzu viel über Gewürze, und das war zweifellos ein Nachteil, falls das Motiv für den Mord an Amir Singh in den Geschäften von Radschiv Sharma und seinen Söhnen liegen sollte. Auf einem Regal an der Wand neben der Vorratskammer standen Simones Kochbücher. Er studierte die Titel: La cuisine française, Essen wie Hemingway in Spanien, Die Küche der Toskana, Kleines Einmaleins der Weine, Pikante Gewürze von A bis Z.
    Er zog das Gewürzlexikon aus der Reihe und nahm es mit dem Wein ins Wohnzimmer, wo er die Stehlampe neben der Couch anknipste. Er holte ein Weinglas aus der Vitrine, pustete den Staub aus dem Glas und ging zum Plattenspieler. Daneben standen die Vinylscheiben, mit denen sie aufgewachsen waren, Simone und er; die sie durch die Jahre ihrer Ehe begleitet hatten. Er fragte sich, ob er in sentimentaler Stimmung war, sentimental genug für eine deritalienischen Schnulzen oder der amerikanischen Top-40-Hits. Nein, dachte er, keine Lieder heute Nacht.
    Er setzte sich auf die Couch. Er trank einen Schluck Wein. Er schlug das Buch auf. Er las die Einführung. Für die Alte Welt liegt die Wiege der Gewürze in Indien , las er. Schon vor etwa 5000 Jahren muss es ein weitverzweigtes Handelsnetz gegeben haben, das sich von China über Indien, Persien, Mesopotamien bis Ägypten erstreckte. Reste von Anis, Bockshornklee, Kardamom, Kassia, Kümmel, Dill, Fenchel und Safran hat man als Beleg für deren Verwendung in den Pyramiden gefunden. Zur Zeit der Pharaonen waren diese Gewürze nicht allein den Reichen vorbehalten, auch die Speisen der Sklaven wurden gewürzt. Dies war aber kein reiner Akt der Menschenliebe, sondern diente der Gesunderhaltung der Arbeitskräfte.
    Gewürze als Mittel der Ausbeutung, notierte der Commissaris in Gedanken.
    Er las über das antike Griechenland und die Blüte der Kräuterheilkunde zur Zeit von Hippokrates. Über die Römer, die Dill, Kümmel, Senf, Koriander, Selleriesamen, Knoblauch, Thymian, Majoran, Petersilie, Anis, Fenchel, Sesam und Mohn verwendeten.
    Mohn – der Commissaris verstaute das Wort in einer Schublade seines Gedächtnisses, die von selbst wieder aufgehen würde, wenn er den Inhalt brauchte.
    Er las über den Pfeffer, der vor Christi Geburt eingeführt wurde, und dass mit den römischen Legionen viele indische Gewürze nach Mitteleuropa kamen und zur Herstellung von Parfüms und Schönheitsmitteln verwendet wurden. Van Leeuwen dachte: Gewürze als Mittel der Versuchung und Verführung.
    Wenn Geldhandel nicht möglich war, wurde Seide gegen Gewürze getauscht, Gewürze gegen Lapislazuli, Jade und Silberschmuck, Schmuck gegen Zobel und andere Pelze, Pelze gegen Wolldecken, Decken gegen luxuriöse Glaswaren. Viele orientalische Gewürze gelangten so nach Europa.
    Gewürze statt Geld – und Geld bedeutete Neid, Rivalität, Hass und Mord ...
    Er las über Hildegard von Bingen und ihre Schriften von derHeilwirkung und Würzkraft einzelner Pflanzen: zum Stillen von Blutungen, gegen Erkältungen, Husten und Schnupfen, zum Schweiß- und Harntreiben, gegen Magen-und Darmbeschwerden, gegen Geschwüre, gegen Verrenkungen und Knochenbrüche und natürlich auch gegen Frauenleiden bis hin zur Abtreibung.
    »Was ist mit Demenz?«, murmelte der Commissaris. »Warum hat sie keine Kräuter gegen Alzheimer gefunden?«
    Und dann gab es die Kreuzzüge, in deren Folge die Christen die Kontrolle über eine der

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