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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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letzten beiden Karten; klatschend landeten sie auf dem unsichtbaren Tisch, an dem der Commissaris saß und Fragen und Antworten sortierte. Er betrachtete sie und sagte: »Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen etwas schwerfällig vorkomme, ich möchte nur ganz sichergehen, dass ich alles richtig sehe. Amir Singh ist freiwillig zu Ihnen gekommen, nach der Razzia, Sie haben ihn nicht gezwungen und auch nicht durch irgendwelche Drohungen erpresst, damit er für Sie bei den Sharmas anheuert und den Laden ausspioniert?«
    »Nein, natürlich nicht. Was für Drohungen? Ich hatte doch gar keine Ahnung, dass er da arbeitet. Als er dieses Mädchen – Carien, heißt sie wohl – kennenlernte, brach unser Kontakt ab. Ich dachte, es geht ihm gut und er braucht meine Hilfe nicht mehr.«
    »Also sind Sie Carien Dijkstra auch nie begegnet?«
    »Nein. Ehrlich gesagt verstehe ich Ihre Fragen nicht ganz.«
    »Ich versuche nur zu begreifen, warum Amir, der doch eher ein sanfter, sensibler junger Mann war – ein Mann, der den Frauen gefällt, ganz und gar kein Draufgänger –, warum der Ihnen aus freien Stücken ein so gefährliches Angebot gemacht haben sollte.«
    Dekkers Stimme klang plötzlich gereizt. »Das habe ich Ihnen doch gesagt: Er wusste, dass wir wiederkommen würden und dass wir früher oder später etwas finden mussten und dass es dann hieß, mitgefangen – mitgehangen! Was bedeutet hätte: zurück in den Knast, zurück nach Delhi, namaste Amsterdam, Sie wissen schon, der absolute Immigrantenalbtraum! Er sagte, ich hätte ihm einmal das Leben gerettet, dafür wollte er sich dankbar erweisen.«
    Van Leeuwen dachte, dass Amir nicht viel aus diesem geretteten Leben gemacht hatte. »Wussten Sie, dass er wieder angefangen hatte mit dem Zeug? Mit den Spritzen?«
    »Nein, aber das überrascht mich nicht«, sagte der Hoofdinspecteur nach einem winzigen Zögern. »Die meisten werden wieder rückfällig, und er war ein bisschen labil.« Er schwieg einen Moment lang. »Wissen Sie, Mijnheer Van Leeuwen, es geht schneller, als man denkt. Es ist irgendwie so leicht.«
    »So leicht? Was?«
    »Der Schritt über die Schwelle. Eben ist man noch auf der einen Seite und etwas später schon auf der anderen, fast ohne es zu merken.« Dekker sprach langsam, als versuchte er seinen eigenen Worten zu folgen. »Es ist wie beim Schiefen Turm von Pisa – alles hängt vom Neigungswinkel ab. Nennen wir es den Neigungswinkel der Seele, die feinen Risse darin.«
    »Ist das Physik oder Metaphysik?«
    »Das hängt davon ab, woran Sie glauben, denke ich.«
    Der Commissaris beobachtete eine Möwe, die mit angelegten Flügeln die kleinen Wellen neben dem Aussichtsboot abritt. Er fand, dass er bei diesem Gespräch einiges erfahren hatte, worüber er nachdenken musste, weil es die Geschehnisse in einem neuen Licht erscheinen ließ, ganz abgesehen von den Widersprüchen. Er ordnete die Karten und packte sie zusammen. »Ihrer Meinung nach ist also Radschiv Sharma der Mörder von Amir Singh?«
    »Ja. Aber ich bin nur ein Zöllner; der Commissaris sind Sie – was glauben Sie?«
    »Ich glaube nie etwas«, sagte Van Leeuwen. »Ich ziehe den Zweifel dem Glauben vor. Ich zweifle, und dann stelle ich meine Fragen – so lange, bis ich weiß. Das Glauben spare ich mir.«
    Dekker saß einen Moment reglos da, aber es war eine gespannte Reglosigkeit, ähnlich der eines Hundes, der auf das Signal zum Apportieren wartet. »Wenn Sie an nichts glauben, wie können Sie dann diesen Beruf ausüben, Commissaris? Jeder von uns glaubt doch an etwas.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich an nichts glaube.«
    »Also, woran glauben Sie? An Gerechtigkeit? Wiedergutmachung? Rache? Gnade? Vergebung?«
    »An Verantwortung«, sagte Van Leeuwen. »Und Sie?«
    »An Schuld.« Die Spannung des Zollfahnders schien sich auf einen Schlag zu lösen. »Sind Sie fertig mit Ihren Fragen, Commissaris? Ich steige nämlich da vorne aus.«
    »Nur noch eine, Hoofdinspecteur: Warum haben Sie sich nicht bei uns gemeldet, als Ihnen aufgegangen ist, dass der Mann, dessen Tod wir untersuchen, Amir Singh war?«
    »Ich war dienstlich unterwegs. Wie ich Ihnen ja schon am Telefon sagte, führe ich eine verdeckte Ermittlung durch.« Dekker stand auf. »Ich hoffe, ich konnte Ihnen irgendwie behilflich sein, Commissaris.« Er gab Van Leeuwen nicht die Hand, er schenkte ihm nur ein knappes Nicken, so wie man sich nach einer zufälligen Begegnung eben verabschiedete. Er ging zum Kapitän, zeigte ihm etwas, das aussah wie

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