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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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einen Fall besprochen hatte, an dem er gerade arbeitete; er hörte sogar den liebevollen leisen Spott in ihrer Stimme. Weil es dir deine untrügliche Intuition eingibt ? Weil dich logische Überlegungen, psychologische Charakterdeutung und sorgfältige Polizeiarbeit an diese Erkenntnisschwelle geführt haben?
    Nein, weil ich niemand anderen habe , sagte Van Leeuwen. Josef Pieters ist mein einziger Verdächtiger, und jetzt muss ich ihn unter das Mikroskop legen und von allen Seiten studieren, bis ich weiß, wer er ist, wo er herkommt und was er noch anrichten kann.

 27 
    Der Commissaris steuerte den Alfa auf dem Autobahnring über die kleinen Buchten des Ijsselmeers, das unter der weit geschwungenen Brücke hindurch seine Fühler ins Herz von Amsterdam ausstreckte. Zu beiden Seiten der Buchten glitzerten Hafen- und Industrieanlagen in der Sonne, und jenseits der Dämme erstreckten sich dieVororte und dahinter das flache Land, dessen wogendes Grün bis zum Horizont reichte.
    Die Reihenhäuser rechts und links der Autobahn prunkten mit blitzblank geputzten Fenstern, alle ohne Vorhänge, damit jeder sehen konnte, dass es hier nichts zu verbergen gab. In den kleinen Gärten vor den Häusern standen Fischreiher aus Keramik, und hinter den weiß gestrichenen Staketenzäunen wechselten sich sorgfältig gestutzte Berberitzen mit Tulpenrabatten ab.
    Der Commissaris verließ die Autobahn an der Ausfahrt Richtung Edam. Am Straßenrand standen Pappeln schlank vor dem blauen Himmel. Kanäle durchzogen die fetten Polder, in denen ziegelrot gedeckte Gehöfte mit Komposthaufen unter den Küchenfenstern und Milchkannen vor den Bretterscheunen anheimelnde Inseln bildeten. Windmühlenflügel drehten sich bedächtig über frisch gedüngten Feldern mit Rotkohl, Weißkohl und Wirsing.
    Kurz vor Monnickendam wurde der Nachmittagshimmel tiefschwarz. Am Horizont türmten sich brodelnde Gewitterwolken. Die Weiden neben der Straße wurden von den Böen des aufziehenden Sturms geschüttelt. Wenig später schlug peitschender Regen herab. Die Scheibenwischer des Alfa kapitulierten vor den herabstürzenden Wassermassen, sodass Van Leeuwen den Wagen an die Böschung lenkte und anhielt, um zu warten, bis das Unwetter vorüber war.
    Reglos hinter dem Steuer sitzend, lauschte er dem Prasseln des Regens. Das Verdeck schloss nicht richtig. Wasser lief an der Innenseite der Fenster herunter. Ein vorbeirauschender Tanklaster pflügte Gischt gegen die Karosserie des Wagens. Nach einer Viertelstunde ließ das Unwetter nach. Im Osten wuchs ein Regenbogen in den Himmel, wölbte seine zarten Farben durch den Dunst über den Feldern und verhieß der Welt einen weiteren Aufschub bis zum Jüngsten Tag.
    Van Leeuwen fuhr weiter. Auf halbem Weg zwischen Monnickendam und Edam erreichte er hinter einer Holzbrücke eine kleine Kreuzung und bog nach rechts in einen Feldweg Richtung Küste. Ein Straßenschild warnte vor Slechte Wegdek. Wenig späterrum pelte der Wagen über Schlaglöcher und Bodenwellen, vorbei an vereinzelten bunt bemalten Holzhäusern und kleinen Tümpeln, auf denen Enten ihre Köpfe zum Schlafen ins Gefieder betteten.
    Der Weg endete vor einem schmiedeeisernen Tor in einer hohen Buchsbaumhecke. Hinter dem Tor führte der Weg weiter zu einem hinter Platanen und Lorbeerbüschen halb verborgenen Herrenhaus im Kolonialstil, errichtet aus weißem und braunem Holz und verziert mit kleinen Säulen, Erkern und Giebeln. Die Jalousien vor den Fenstern im Erdgeschoss waren heruntergelassen.
    Van Leeuwen parkte den Alfa, stieg aber nicht aus. Er beobachtete das Anwesen und sah zu, wie die Buchsbaumhecke sich im Abendlicht rötete, während die Schatten länger wurden. Über den Platanen und dem fernen Dach des Hauses stiegen Möwen auf und ließen sich wieder fallen.
    Auch als es dunkel wurde, ging hinter den Jalousien und Fenstern des Hauses kein Licht an. Der Commissaris wartete, bis der Himmel über dem Meer die letzte Helligkeit verloren hatte. Er wartete, ob sich auf dem Anwesen etwas bewegte, ein Mensch oder ein Wachhund. Als er lange genug gewartet hatte, stieg er aus, um das Gesetz zu brechen.
    Das Tor war verschlossen. Es gab weder eine Klingel noch ein Namensschild. Van Leeuwen versuchte, das Schloss mit einem Dietrich zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Er ging an der Buchsbaumhecke entlang, bis er eine Stelle fand, an der sie etwas weniger dicht gewachsen war. Mit seinem ganzen Gewicht zwängte er sich durch das noch vom Regen nasse Blattwerk.

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