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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Flugbahn geschaffen, falls es sich nicht im Dickicht dahinschlängelt oder im
    harzigen Sud auf und nieder krabbelt. Kleine Affen turnen geschmeidig wie Trapezkünstler von Baumkrone zu Baumkrone. Tukane
    und Sittiche flattern durch das schattige Zwielicht und kreuzen einen verirrten Sonnenstrahl.
    Die Stille ist keine Stille. Das Zwitschern zahlloser Vögel begleitet unser Vordringen, und jeder unserer Schritte gebiert ein vielfältiges Rascheln, Flattern und Schnattern. Manchmal habe ich das Gefühl, als schliche jemand neben uns her, der stets im selben Augenblick stehen bleibt wie wi r; jemand oder etwas.
    Seit Tagen haben wir den Himmel nur noch in Ausschnitten gesehen, keine Sonne und keinen Mond; die Welt erscheint mir wie ein einziges verschlungenes Labyrinth. Moskitos fallen in Schwärmen über uns her. Zecken regnen von den Unterseiten der Blätter und graben sich unter die Haut, wo sie zu kleinen rötlich schwarzen Geschwülsten werden. Die Abende verbringen wir damit, sie uns am Feuer gegenseitig aus dem Fleisch zu brennen. Manchmal höre ich einen grausigen Schrei, und man sagt mir, das sei ein Silberlöwe – »Natur, rot an Zahn und Klaue«, wie Lord Tennyson schreibt.
     
    Die Taschenlampe flackerte. Der Commissaris sah hoch, und einen
beunruhigenden Moment lang glaubte er, selbst im Urwald zu sein.
Das Licht wurde schwächer. Van Leeuwen stand auf und ging zumFenster, überprüfte, ob die Lamellen der Jalousie gut schlossen. Danach schaltete er die Taschenlampe aus, damit die Batterie sich erholen konnte. Auf dem Tisch stand eine kleine Lampe. Er knipste sie an, begierig darauf, weiterzulesen. Die Lampe spendete nur wenig Helligkeit; sie reichte für das aufgeschlagene Heft, aber nicht einmal bis zu den Wänden.
     
    Aus dem tragbaren Funkgerät dringt hin und wieder ein grelles Zirpen, aber wenn ich mich melde, ist niemand dran, nur weißes Rauschen. Morgens löst sich der nebelartige Dunst zwischen den Bäumen kaum noch auf, er hängt in den Kronen der mannshohen Riesenfarne und rankt sich um die Stängel leuchtend roter Giftblumen; vielleicht sind es schon Wolken. Die Luft wird dünner. Ich ermüde schnell und schlafe schlecht, sodass mir der Marsch durch den Urwald mehr und mehr vorkommt wie ein einziger quälender Albtraum.
    Alle paar Meter muss ich mit zitternden Oberschenkeln stehen bleiben, ich bin am ganzen Körper in Schweiß gebadet. Die Luft ist zum Auswringen, voller scharfer, sämiger Gerüche. Das Meckern und Gackern über unseren Köpfen begleitet uns wie ein spöttischer Kommentar zu unserer bedauernswerten Verfassung. Kraftlos kämpfen wir uns voran, durch Schleier von nebligem Licht, Schatten und schwebende Spinnweben.
    Ich weiß nicht mehr, ob die giftigen, schillernden Farben, ob der ganze Urwald wirklich ist oder nur ein fiebriger Wahn. Phantasiere ich, wenn ich in der süßlichen Schönheit einer Orchidee schamlose Lüsternheit sehe und von ihrem zarten, lockend zur Schau gestellten Kern erregt werde wie von einem knospenden menschlichen Geschlechtsorgan?
     
    Van Leeuwen spürte, wie sein Puls sich beschleunigte, als er die Witterung aufnahm, in Pieters hineinzuschauen begann. Er überflog die nächsten Seiten, bis das kleine Expeditionskorps den Urwald hinter sich gelassen und das Hochland erreicht hatte.
     
    Der Himmel – Gott sei Dank ! Plötzlich endet der Wald, und wir sehen den Kegel eines schroffen Berges aufragen; über den steilen grüngelben Hügeln steigt er empor aus dem Dunst und wirkt so kühl in seiner Nacktheit, dass sich mir der Gaumen zusammenzieht. Die Bäume schieben sich noch ein Stück weit die Hänge hinauf, dann folgt Vulkangestein, Lava, die in erstarrten Strömen bis in den Dunst über den letzten Baumwipfeln herabfließt. Eine Tertiärlandschaft.
    Der Sonnenuntergang ist nah, der Berggipfel färbt sich rot. Kleine bunte Papageien steigen auf in das letzte Licht, ein quirliger Schwarm, der einige Minuten lang krächzend und meckernd durcheinander- flattert, ehe er sich zum Schlafen wieder niederlässt. Ich habe immer stärker das Gefühl, dass wir beobachtet werden, von wachsamen Augen, versteckt hinter Zweigen und Laub. Manchmal glaube ich, etwas zu sehen, eine schnelle Bewegung, einen dunklen Körper, ein schneeweißes Gesicht, doch es ist verschwunden, bevor es von den Sinnen erfasst werden kann. Die Fore sind Wilde, hat man mir gesagt – sie führen blutige Kriege gegen andere Stämme und Eindringlinge,
    mit den Waffen der Steinzeit, Blasrohr,

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