Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld
Speer, Pfeil und Bogen.
Meine Bois werden immer stiller. Der Weg führt jetzt steil bergan und ist so schmal, dass wir hintereinandergehen müssen. Wieder und wieder rutschen wir auf kleinen Steinchen aus, die hinter uns in die Tiefe prasseln. Vor uns erhebt sich eine massive Felswand, darin öffnet sich eine Höhle wie ein dunkler Mund. Die Sonne brennt fast senkrecht herab, wir haben keinen Schatten mehr. Als wir uns der Höhle nähern, senken die Bois den Kopf, damit die Geister, die darin hausen, ihre Gesichter nicht sehen können. Ich werfe einen Stein in die Höhle. Er wird von ihr verschluckt, ohne dass man einen Aufprall vernimmt.
Nur wenige Schritte vom nächsten Plateau entfernt, hören wir auf einmal ein seltsames Klirren und Klingeln, das ich mir nicht erklären kann. Es wird lauter, während wir weiterklettern und, geblendet von den schräg fallenden Sonnenstrahlen, eine Lichtung erreichen. Einer meiner Bois stößt einen Schrei des Erschreckens aus. Auf der Lichtung steht ein Schädelhaus, ein Bambusgerüst, an dem dicht an dicht Totenköpfe hängen, kleine und große, geschmückt mit Muschelketten, und es sind die Muscheln, die sich im Wind drehen und klirrend gegeneinanderstoßen. Die leeren Augenhöhlen der Schädel scheinen uns zu fixieren, die Kieferknochen sind zu einem steten Grinsen erstarrt.
Plötzlich fährt ein heftiger Windstoß über das Hochplateau, und nun schwingen auch die Schädel hin und her, all die Köpfe von Männern, Frauen und Kindern, die hier zwischen Himmel und Erde ihr luftiges Grab gefunden haben.
Jetzt wusste der Commissaris, woher der Gegenstand stammte, der ihm gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches an der Wand hing; er wusste es, ohne aufschauen zu müssen, und er wusste, dass auch er von leeren Augenhöhlen angestarrt wurde.
Kaum hatten wir unsere Zelte aufgebaut, setzte die Dämmerung ein. Schnell, wie überall in den Tropen, geht die Sonne unter, und einen Moment lang scheint vollkommene Stille zu herrschen. Dann erklingen im Busch wieder die Stimmen zahlloser Vögel; Insekten summen und zirpen noch lange nach Einbruch der Dunkelheit. Wir haben ein Feuer angezündet, denn nachts wird es unangenehm kalt. Das Gefühl, beobachtet zu werden, wird stärker, und auf der Lichtung sitzen wir wie auf einer hell beleuchteten Bühne, umflattert von großen weißen Motten.
Wir sind längst auf dem Gebiet der Fore. Im Schein der Flammen notiere ich meine Eindrücke, und wenn ich den Blick von den weißen Seiten hebe, bin ich fast blind für alles, was außerhalb des Feuer scheins liegt. Es ist weniger eine Blindheit der Sinne als eine der be drückten Seele; ich fühle mich einsam, klein und schwach. Aus der Finsternis zwischen den Bäumen kriecht weißer Nebel über die Lichtung.
Immer wenn die Insekten mit ihren monotonen Lebensgeräuschen kurz innehalten, glaube ich, Trommeln zu hören, abwechselnd nah und weit weg, je nachdem, woher der Wind weht – Trommeln und Flötenklänge. Plötzlich verstummen die Bois und starren in die Dunkelheit. Ich bemerke, dass sich jenseits des Feuers der Nebel verdichtet, bis er die Form einer menschlichen Gestalt annimmt. Die Gestalt kommt näher, und dann fließen die Nebelschwaden auseinander, und ein Mann tritt in den Lichtkreis des Feuers. Es sieht aus, als glühten seine Augen, aber es ist nur das Feuer, das sich darin spiegelt. Er trägt nichts am Leib, nur Ohrringe, Armreifen und Fußringe aus Muscheln, außerdem eine bis zu den Knien reichende schnabelartige Röhre, in der sich sein Geschlecht befindet.
Sein ganzer Körper, schwarz wie Ebenholz, glänzt im Widerschein der tanzenden Flammen. Seine Hände sind leer. Dennoch geht von der kleinen muskulösen Gestalt etwas vage Bedrohliches aus, vor allem von dem dicken Nasenknochen in dem wulstigen, unausgewogen proportionierten Gesicht. Weiße Streifen ziehen sich durch die kräftigen schwarzen Locken. Auch die Wangen und Kiefer sind mit weißen
Streifen bemalt, es sieht aus wie ein mit Kalk nachgezeichneter Schädel.
Meine Bois stoßen sich an und deuten auf den Bauch des Buschmanns, wo sich eine frisch vernarbte Wunde vom Nabel bis zum Brustbein hochzieht. Auf einmal breitet der Mann die Arme aus und wölbt dabei die Schultern vor, sodass er aussieht wie ein Raubvogel, der zum Flug ansetzt. Mit einer für seine Größe erstaunlich tiefen Stimme schleudert er uns einen einzigen unverständlichen Laut entgegen. Dann wirft er einen Blick zurück und
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