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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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dreht und wendet, niemand wird es ertragen.
    »Keine Kleidungsfasern unter den Fingernägeln«, fuhr er schließlich fort, »auch keine Haut oder ausgerissenen Haare, also kam er nicht dazu, sich zu wehren. Alkohol und Spuren von Chemikalien im Blut, die genaue Analyse steht noch aus. Mageninhalt fast völlig verdaut, hatte offenbar seit Stunden nichts gegessen. Warum isst von den Kindern heutzutage keines mehr richtig ? Das Herz war gesund, alle anderen Organe auch. Keine Krankheiten und keine Mangelerscheinungen. Der Schließmuskel hat versagt, als der Tod eintrat. Unterhose aus schlichter Baumwolle, oft gewaschen. Moment, da haben wir ja noch was: Spuren einer fetthaltigen Substanz an Hals und Kopf. Und ein Fingerabdruck auf der Haut über dem Adamsapfel. Habt ihr den schon durch den Computer laufen lassen ?«
    »Ohne Ergebnis«, antwortete Gallo, »bei uns genauso wie bei Europol. Wäre ja auch zu schön gewesen.«
    Van Leeuwen klappte den Bericht der Pathologie zu und griff nach dem der Spurensicherung, der nur aus einer Seite bestand. »Am Tatort weder Fußabdrücke noch Hinweise auf die Art der Mordwaffe, und unsere DNA-Spezialisten gehen auch leer aus. Dieselbe fetthaltige Substanz auf der Kleidung des Jungen. Wieso steht da nicht, was das für eine Substanz sein soll ? Niveacreme ? Sonnenöl ? Ah, da ist ja mein Splitter –«
    Bambus, las er, mit mikroskopisch kleinen Partikelchen von getrocknetem Blut, Gruppe A, genau wie das des Jungen. Aber das musste nichts bedeuten, schließlich hatte der Splitter unter dem Kopf des Mordopfers gelegen. Van Leeuwen schob auch diesen Bericht weg und trank den Rest des kalten Kaffees aus seinem Becher. Den Splitter verstaute er in einer der zahllosen kleinen, selten benutzten Schubladen in seinem Gehirn, zur späteren Verwendung. Er sagte: »Wir müssen den Schlüssel suchen, das ist alles.« Aber wo ?, dachte er.
    »Frag deinen Erfinder«, sagte Gallo.
    »Wovon redet ihr eigentlich die ganze Zeit ?«, fragte Julika. »Von was für einem Schlüssel ? Welcher Erfinder ? Ich habe noch nie etwas so Grauenhaftes gesehen, und ihr redet von Schlüsseln und Erfindern ...«
    »Jedes Verbrechen ist ein Loch, ein negativer Raum, und in dieses Loch passt ein Schlüssel«, sagte Van Leeuwen. »Der Erfinder hat das Loch geschaffen, aber nicht den Schlüssel entworfen. Trotzdem ist der Schlüssel im selben Moment da wie das Loch, irgendwo in der Nähe. Ich muss ihn nur finden, dann kann ich ihn in das Loch stecken und die Tür öffnen, hinter der er steht, der Erfinder. Dann wird aus dem negativen Raum ein positives Ereignis.«
    »Was wäre das Leben ohne Hoffnung«, sagte Hoofdinspecteur Gallo.
    Mein Leben , dachte Van Leeuwen, ohne es zu wollen.

 5 
    Er ging zu Fuß. Manchmal nahm er die Straßenbahn oder den Bus, gelegentlich den Wagen, die Metro fast nie. Er ging meistens zu Fuß, sogar wenn es regnete wie heute. Amsterdam war eine gute Stadt für Fußgänger und Radfahrer. Es war auch eine gute Stadt für die Möwen, die über den Grachten schwebten, und für die Fischreiher in den Platanen am Ufer. Nach Anbruch der Dunkelheit lockte die Stadt vor allem die Fußgänger, und die Fußgänger lockten Bruno van Leeuwen.
    Er verließ das Hoofdbureau van Politie und wandte sich zur Lijnbaansgracht. An der Straßenbahnhaltestelle gegenüber vom Präsidium stand der tote Junge. Er war allein. Er trug die roten Sneakers und die graue Bottom-down-Hose und die orangefarbene Wollmütze. Er sah Van Leeuwen nicht an.
    Das Wasser der Gracht schimmerte matt, und auf der schwarzen Oberfläche trieben Hamburger-Schachteln und anderer Müll, der vom Koninginnedag übrig geblieben war. Der Regen fiel wie einstaubiger Schleier zwischen dem Präsidium und dem Busbahnhof gegenüber, und wenn der Verkehr innehielt und auch keine Straßenbahn vorbeifuhr, konnte Van Leeuwen ihn auf dem Wasser flüstern hören.
    Er ging nicht immer dieselbe Route. An manchen Abenden nahm er sich die Parks vor, an anderen beschränkte er sich auf ein bestimmtes Viertel – die Gegend um den Dam, die Centraal Station, die Wallen mit den Nutten, Transvestiten und Chinesen, das Hafengebiet. Oft fuhr er ruhelos von einem Ende Amsterdams zum anderen, in leeren, erleuchteten Spätbussen und ruckelnden Straßenbahnen. Er hielt die Augen offen. Er dachte, wenn er da war, passierte vielleicht nichts. Wenn er sich zeigte.
    Er überquerte die Prinsengracht und ging durch die schmalen Gassen der Altstadt. Überall lagen weggeworfene

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