Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld
Bäcker, um frische Brötchen zu holen. Es war ein heller Frühlingstag, der die Straße in Seide hüllte. Nach seiner Rückkehr verdünnte er den restlichen Kaffee mit viel heißer Milch, um ihn Simone ans Bett zu bringen. Als er sie mit einem Kuss auf die Stirn weckte, roch er, dass sie gewaschen werden musste.
Sie frühstückten im Bett. Er saß auf der Matratzenkante und tunkte Croissants in den Milchkaffee, die Simone dann mit vergnügtem Glucksen aß. Noch vor ein paar Monaten hatte sie morgens nach dem Aufwachen oft geweint, machmal auch in zorniger Panik um sich geschlagen, wie ein verängstigtes Pferd, das mit den Hufen gegen die Bretterverschläge seiner Box tritt. Als hätte sich der Nebel in ihr einen Moment lang gelichtet und ihr einen Blick inden Abgrund ihrer Lage gewährt. Doch inzwischen schien ihr die Verzweiflung erspart zu bleiben.
Nach dem Frühstück ließ Van Leeuwen warmes Wasser in die Badewanne und schälte Simone aus den verschiedenen Schichten klammer Kleidung, die sie trug wie eine Zwiebel ihre Häute. Kichernd klammerte sie sich an jedes einzelne dieser Stücke, in denen sie sich so wohl fühlte, aber am Ende blieb er Sieger, wie immer. Er setzte seine Frau in das warme Wasser und sah zu, wie ihre blasse Haut sich sanft rötete. Dann nutzte er die Zeit, um die mit Milchkaffee, aufgeweichtem Blätterteig und Körperflüssigkeiten verschmutzte Bettwäsche zu wechseln.
Danach warf er einen Blick ins Badezimmer. Simone lag friedlich in der Wanne. Er rief im Präsidium an und erkundigte sich nach den Vorfällen der vergangenen Nacht. Wie immer gab es Menschen, die den Morgen nicht erlebt hatten, aber keiner der Tode schien im Zusammenhang mit seinem Fall zu stehen, und es war auch kein Mord darunter.
Neben dem Telefon lag der Zettel mit der Telefonnummer von Professor Pieters, die er sich gestern im Sekretariat der Klinik geholt hatte. Ich dachte, du hättest keine Hoffnung mehr, sagte er sich und betrachtete den Zettel. Warum bist du trotzem zu Pieters’ Büro gegangen, obwohl Terlinden dir davon abgeraten hat ? Warum hast du deine Karte unter der verschlossenen Tür durchgeschoben ? Was hast du dir erwartet ? Du glaubst doch schon lange nicht mehr an Wunder, oder ?
Auf dem Weg zurück ins Bad bemerkte er nasse Fußspuren im Korridor. Er folgte ihnen ins Wohnzimmer. Nackt, nass und fast noch dampfend stand seine Frau am Fenster und goss die Blumen mit Wasser aus der Badewanne.
Der erste Topf war schon überflutet, und über den Rand des zweiten trat gerade ein Rinnsal aus aufgeschwemmter Blumenerde. Simone stand mit beiden Füßen in der Pfütze, die sich unter dem Heizkörper gebildet hatte. In der einen Hand hielt sie die inzwischen leere Schüssel für Fußbäder, während sie mit der anderen eine Neuordnung ihrer Fundstücke auf dem Fensterbrett vornahm, dengetrockneten Seestern zu den Streichholzbriefchen legte, die Kronkorken gegen Kürbiskerne austauschte und ein paar Kiesel in die Pfütze zu ihren Füßen legte.
»Was machst du denn da ?«, fragte Van Leeuwen. »Wie läufst du nur herum ? Willst du nicht wenigstens etwas anziehen ? Schau dich an, du siehst aus wie ein Krebs mit deiner roten Haut. Komm, ich hole dir einen Bademantel.«
Er schaltete den Fernseher ein, denn er wusste, dass samstagmorgens fast auf allen Kanälen Comicfilme liefen, die unweigerlich ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Schrille Musik und das Krakeelen überdrehter Zeichenmännchen erfüllte den vom Schatten der Ulmen gemusterten Raum. Er ging den Bademantel holen und fand seine Frau in ihrem Lieblingssessel, auf dem Bauch ein Kissen, das sie in beiden Armen hielt. Glücklich versunken in den Anblick der bunten Hysterie auf dem Bildschirm.
Er hüllte sie in den flauschigen Mantel, bevor er sich neben sie auf den Boden setzte, um ein paar Minuten mit ihr fernzusehen. Wenn eine der Zeichentrickfiguren lachte, brach auch Simone in fröhliches Gelächter aus, und wenn jemand weinte, gab sie einen Laut von sich, als müsste sie selbst gleich weinen. In einer Werbepause legte sie die Hand auf Van Leeuwens Kopf und fragte: »Was machen wir denn ?«
»Überraschung«, sagte er.
Sie dachte darüber nach, dann lächelte sie zustimmend. »Aber was machen wir ?«, fragte sie.
»Wir gehen spazieren«, sagte er. »Mit Ton.«
»Mit Ton ?«
»Ton Gallo, den kennst du doch. Er kommt nachher, und wir gehen zusammen ein bisschen raus, auf den Markt.«
Es war eine Seltenheit, dass sie Besuch bekamen; genau
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