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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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sie nicht zu einer Aussage nötigen, zu einem Schuldeingeständnis, das seinen Schmerz linderte und seinem Zorn die Nahrung entzog.
    Es war ein fremder, zerstörerischer Zorn, der deshalb nicht verschwand, weil er kein Ziel hatte.
    Van Leeuwen ging in die Küche und schenkte sich ein Glas Wein ein, ohne das Licht anzumachen. Er trank im Dunkeln. Er erinnerte sich daran, wie Simone das letzte Mal aus Italien zurückgekommenwar, mit dem neuen Alfa, den sie dort preisgünstig erstanden hatte. Sie war zwei Wochen fort gewesen. Er hatte sie zu Hause erwartet, es musste also ein Sonntag gewesen sein. Äußerlich war sie ganz unverändert – dieselbe kleine Nase, die hoch angesetzten Wangenknochen, das ausgeprägte Kinn mit den vertrauten Linien, die faltenlose Stirn und die großen braunen Augen. Kurz, das Gesicht hatte nichts von seiner sinnlichen Eleganz verloren, die Kleidung war von verführerischer Saloppheit, alles wie immer, etwas weicher vielleicht, als er es während ihrer Abwesenheit vor sich gesehen hatte, strahlender – gleichsam gefirnisst.
    Er hatte sie in seine Arme gezogen, sie hatte sich umarmen lassen, nach zwei Wochen durfte er sie wieder halten. »Ich bin völlig erledigt«, hatte sie gesagt, »bitte, lass mich erst ein Bad nehmen, sonst will ich nichts.«
    Jetzt, wo er den Inhalt des Koffers kannte, sah er, was falsch gewesen war an diesem Bild. Was ihm hätte auffallen müssen. Er stellte sich vor, wie sie heimkehrte, und er wusste plötzlich, warum sie so anziehend war, noch anziehender als vorher: weil sie mit einem Mal nicht mehr nur ihm gehörte. Er blickte ihr in die Augen und entdeckte einen Anflug von Panik, ganz weit hinten.
    Sie trat rasch an ihm vorbei in die Diele, überließ es ihm, die Tür zu schließen. Auch ihre Reisetasche ließ sie einfach im Flur stehen, bevor sie direkt ins Badezimmer ging. »Machst du mir bitte einen doppelten Martini ?«
    Er brachte ihr den Martini an die Wanne, wo Simone es sich in ihrem Element bequem gemacht hatte, unter einer Schaumschicht unsichtbar bis zum Hals. Ihr Gesicht glänzte, die Augen waren geschlossen »Ohne Eis ?«, fragte sie, als könnte er während ihrer Abwesenheit ihre Gewohnheiten vergessen haben. »Ohne Eis«, bestätigte er. Die Finger ihrer ausgestreckten Hand zappelten, gib schon her .
    »Willkommen daheim«, sagte er. Er hatte sich zu sehr über ihre Rückkehr gefreut, um zu merken, dass sie zu lange fort gewesen war. Und zu weit.
    Ihre Augen, endlich wieder geöffnet, waren leicht gerötet, alshätte sie geweint. Ihr Blick unterschied sich von jedem anderen Blick, den er je an ihr bemerkt hatte, so wie sich diese Rückkehr von allen anderen unterschied. Er spürte es, und er hatte keine andere Wahl, als sie zu fragen: »Wer war es ?«
    Ihre Hand mit dem Glas zitterte nicht. »Wie bitte ?«
    »Du brauchst mir nichts vorzumachen«, sagte er.
    Sie trank einen Schluck von dem Martini. Ihre Haut war großporiger geworden, das heiße Wasser begann zu wirken, das Wassser und dann der Alkohol; der Glanz auf dem leicht geröteten Gesicht wurde stärker. Sie stellte das Glas auf den Wäschekorb neben der Badewanne und fing an, sich einzuseifen, als wäre Van Leeuwen gar nicht da.
    Die Fremde, die nach Hause kam, dachte er. Sie hielt in der Bewegung inne und sagte: »Es ist besser, wenn du jetzt gehst – zieh dich zurück, lass mich allein, übe Gnade vor Recht. Wir reden, wenn ich fertig bin.«
    Er verspürte eine Regung, die er sonst nur von seiner Arbeit her kannte – den Wunsch, sie in die Enge zu treiben. Stattdessen trat er den Rückzug aus seinem eigenen Badezimmer an. Eine halbe Stunde später setzte sie sich zu ihm ins Wohnzimmer. Sie war wie immer perfekt geschminkt, tadellos frisiert, und natürlich trug sie zu Hause keinen Schmuck; ihr Gesicht war Schmuck genug.
    Sie zündete sich eine Zigarette an und sagte: »Also, was willst du wissen ? Wie er hieß ? Er hieß Sandro. Wie lange es ging ? Es ist vorbei und wird nicht wieder anfangen. Wie es dazu kommen konnte ? Ich habe nicht die geringste Ahnung. Du hast mich nicht vernachlässigt oder so. Es war eine Dummheit, und es tut mir leid, weil ich dir nie wehtun wollte. Du wirst doch Mama und Papa nichts davon erzählen?«
    »Nein«, sagte Van Leeuwen, aber dann dachte er, dass er es ihr nicht so leicht machen sollte, und ergänzte: »Ich weiß noch nicht.« »Ich bitte dich um einen Gefallen«, sagte Simone.
    »Ist es wegen deines Ehebruchs ?«, fragte er.
    »Das ist kein sehr

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