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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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lustvoll und groß in mir, und noch jetzt tränkt mich jeder Gedanke daran aufs Neue, Sandro, caro, ich kann nicht genug davon bekommen, von dir und deinem – «
    Van Leeuwen dachte, wie kannst du so ruhig hier sitzen ? Warum versinkst du nicht vor Scham im Boden ? Warum tut er sich nicht unter dir auf ? Das ist jetzt nicht der andere, das ist Simone, die diesen Brief geschrieben hat. So war es nie, wenn sie sich dir hingegeben hat; solche Worte hat sie nie benutzt. Doch störrisch hörte er weiter zu, lauschte widerwillig den Beschwörungen fremder Leidenschaften und dachte, Brigadier Tambur hat Recht, ich hätte sie da nicht mit hineinziehen dürfen.
    Je länger er Julika dieser Folter aussetzte, desto mehr rührte ihn ihr Gesicht. In Gedanken trug er eine Schicht nach der anderen ab und stieß auf all die enttäuschten Sehnsüchte, die Hoffnungen, die sich nicht erfüllt hatten. Aber er fand auch ungebrochenen Stolzund den gerechten Zorn, den in seinen Augen jeder gute Polizist haben musste; er fand Sanftmut und Güte.
    Es gab selbst jetzt noch mehrere Julikas, dachte er, mindestens zwei, die in ihrer Seele ein und aus gingen wie die Figuren eines Wetterhäuschens. Die eine schien die Kontrolle über ihr Leben zu haben; der anderen glitt es immer wieder aus den Händen. Wo ist der Unterschied ?, dachte er; sie ist wie wir alle.
    » Danach «, las Julika, » nach dem letzten Mal, im Morgengrauen, hast du mich angesehen mit deinen vor Erschöpfung fast farblosen Augen, und in deinem Blick konnte ich lesen, dass du glaubtest, ich hätte dich und uns, unsere Liebe verraten. Dann hast du mich geküsst und bist aufgestanden, und wenn es nicht deine Wohnung gewesen wäre, wärst du ohne ein Wort gegangen . Aber caro, carino, es war kein Verrat. Es war nur das Einlösen eines Versprechens, das ich mir selbst gegeben habe . Du wusstest, dass es ihn gibt, dass ich ihn liebe und dass ich ihn nie verlassen werde, das wusstest du, und selbst wenn es für dich Liebe war, war es auch eine Komödie, denn vergiss nicht, du bist Italiener, und ich bin Niederländerin. «
    Ihn – war er das, sprach sie so von ihm, ohne Namen ? Warum hatte sie diesen Brief nie abgeschickt ? Oder war er zurückgekommen, die Anschrift durchgestrichen, die Annahme verweigert von einem in seinem Stolz zutiefst verletzten jungen Mann aus Siena ?
    Van Leeuwen stand abrupt auf und steckte die Briefe wieder ein. »Ich muss jetzt gehen«, sagte er.
    »Wissen Sie, was ich glaube ?«, fragte Julika und gab ihm den letzten, den sie gerade vorgelesen hatte, den mit der Unterschrift Sim .
    »Nein. Und ich will es auch nicht wissen.« Er trat in den Korridor hinaus und ging zur Wohnungstür, wo er sich noch einmal umdrehte. »Sie haben Recht – ich hätte damit nicht zu Ihnen kommen dürfen.«
    Julika stand in der Küche und sagte: »Ich glaube, das war das Mutigste, was Sie in Ihrem Leben je getan haben.«
    Er öffnete die Tür zum Hausflur. »Denken Sie an die Liste von Professor Terlinden. Wir haben sonst keine Spur, wir haben keine Strategie, wir haben nichts ! Was sind wir nur für Polizisten ?!«Er verließ die Wohnung. Erst unten vor dem Haus wurde ihm übel, und er musste sich an die kalte Betonmauer lehnen. So endet es, dachte er; so endet alles, wenn man es am wenigsten erwartet.
    Mit eiligen Schritten ging er durch die Nacht zur Straße. Er bemerkte einen Linienbus, der gerade anfahren wollte, und rannte los, um ihn noch zu erreichen. Mit einem Zischen öffneten sich die hydraulischen Türen, und er stieg ein. Nachdem er einen Fahrschein gelöst hatte, setzte er sich nach ganz hinten auf die erhöhte Bank, obwohl der Bus fast leer war.
    Die ganze Fahrt über dachte er an einen fremden Mann namens Sandro und eine unbekannte Frau namens Simone. Niemand kennt den anderen, dachte er, das wusste schon Goya; er hat es unter eine seiner Radierungen geschrieben. Dann dachte er, dass er zwar diese Frau namens Simone nicht mehr fragen konnte, den Mann namens Sandro dagegen sehr wohl.
    Wir fahren nach Siena, Sim, was hältst du davon ? Es wird dir guttun, du wist dich erinnern. Einer von euch wird sich erinnern.
    Er schloss die Augen und lehnte sich müde zurück. Wie sagt man auf Italienisch: Ich suche einen Mann, er heißt Sandro, das ist alles, was ich weiß. Hier, ich habe ein Bild von ihm, kennen Sie ihn vielleicht ? » Sto cercando un uomo, il nome e Sandro ... «, murmelte er vor sich hin, oder so ähnlich. Das war das Letzte, was er Brigadier Tambur

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