...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land
Der Staat Israel besitzt vermutlich als einziger auf Erden eine sozialistische Regierung, die unter Aufsicht des ehrw. Oberrabbinats steht. In letzter Zeit gab es allerdings einige Versuche, Religion und Staat voneinander zu trennen. Seither herrscht nur noch die Religion.
Kohenitische Tragödie
Ich hatte Jankel nie vorher gesehen, aber ich zerstörte seine Zukunft und sein Familienglück innerhalb weniger Minuten.
Es begann damit, daß eine mir gleichfalls unbekannte Frau von etwa 40 Jahren in meiner Wohnung auftauchte und mit einem Redeschwall über mich herfiel.
»Entschuldigen Sie lieber Herr daß ich Sie überfalle wo wir uns doch kaum kennen aber jetzt bin ich endlich soweit daß ich Jankel heiraten könnte ach so Sie wissen nicht daß ich von meinem ersten Mann geschieden bin warum spielt keine Rolle er hat getrunken und hat anderen Weibern Geschenke gemacht aber Jankel trinkt nicht und verdient sehr schön und kümmert sich nicht um Politik und er lebt schon sehr lange im Land und hat einen sehr guten Posten in der Textilbranche und will ein Kind haben aber schnell denn er kann nicht mehr lange warten schließlich ist er nicht der Jüngste aber er schaut noch sehr gut aus auch wenn er kein Haar auf dem Kopf hat und er hat sogar eine Wohnung ich weiß nicht wo aber Sie müssen uns unbedingt besuchen und Sie werden uns doch sicherlich diesen kleinen Gefallen tun nicht wahr?«
»Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute, liebe Frau«, sagte ich. »Möge Ihrer Ehe Segen beschieden sein. Schalom, schalom, und lassen Sie gelegentlich von sich hören.«
»Danke vielmals ich danke Ihnen aber ich habe ganz vergessen Ihnen zu sagen daß Jankel hier keine Freunde hat außer ein paar alten Siedlern und die können vor dem Rabbi nicht bezeugen daß Jankel im Ausland nie verheiratet war aber Sie sind noch nicht so lange im Land und Sie sind Journalist und das ist sehr gut denn da können Sie für uns zeugen.«
»Gut«, sagte ich. »Ich gebe Ihnen ein paar Zeilen mit.«
»Das genügt leider nicht wissen Sie ein Freund von Jankel hat uns auch so ein schriftliches Zeugnis geschickt er ist Junggeselle noch dazu auf Briefpapier von PepsiCola aus Amerika dort lebt er nämlich aber der Rabbiner hat gesagt es gilt nur persönlich und man muß selber herkommen und ich danke Ihnen schon im voraus für Ihre Güte wo ich doch eine begeisterte Leserin Ihrer Witze bin der letzte war leider schwach also morgen um 9 Uhr früh vor dem Café Passage oder doch lieber gleich beim Rabbinat und jetzt entschuldigen Sie ich muß schon gehen mein Name ist Schulamit Ploni sehr angenehm.«
Ich bin im allgemeinen kein Freund von Gefälligkeiten, weil sie immer zuviel Mühe machen. Aber diesmal hatte ich das Gefühl, zwei Liebenden helfen zu müssen. Außerdem muß ich zugeben, daß ich mich vor Frau Schulamit Ploni ein wenig fürchtete. Ich war also am nächsten Morgen pünktlich um 9 Uhr auf dem Oberrabbinat, wo mich ein großer, glatzköpfiger Mann bereits mit Ungeduld erwartete.
»Sind Sie der Zeuge?«
»Erraten.«
»Beeilen Sie sich. Man hat uns schon aufgerufen. Schulamit wird gleich hier sein. Sie versucht unter den Passanten einen zweiten Zeugen zu finden. Das Ganze dauert nur ein paar Minuten. Sie müssen sagen, daß Sie mich noch aus Podwoloczyska kennen und daß ich nie verheiratet war. Das ist alles. Eine reine Formsache. In Ordnung?«
»In Ordnung. Sagen Sie mir nur, ganz unter uns, waren Sie wirklich nie verheiratet?« »Nie im Leben. Ich hab schon allein genug Sorgen.«
»Um so besser. Aber diese Stadt, die Sie mir da genannt haben, die kenne ich überhaupt nicht.«
»Sie sind doch Journalist? Erzählen Sie irgend etwas. Daß Sie eine Reportage über Podwoloczyska gemacht haben, und ich habe Ihnen jahrelang geholfen.«
»Das wird man uns nicht glauben.«
»Warum nicht? Meinen Sie, daß irgend jemand hier weiß, was eine Reportage ist?«
»Schön. Aber jetzt habe ich schon wieder vergessen, wie diese Stadt heißt, die mit P anfängt.«
»Wenns Ihnen so schwerfällt, dann sagen Sie, wir kennen uns aus Brody. Das ist auch in Polen.«
Brody war viel leichter. Ich brauchte nur an Brody Miska zu denken, der in der Volksschule hinter mir gesessen hat.
Jankel hörte mich noch einmal ab, war beruhigt und informierte mich zur Sicherheit noch, daß sein Nachname Kuchmann sei. Ich ahnte nicht, daß sein Schicksal zu diesem Zeitpunkt bereits besiegelt war.
Dann kam Schulamit Ploni und brachte tatsächlich einen zweiten Zeugen
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