Und was, wenn ich mitkomme?
immerhin 22 Betten geben, gleich hinter der blauen Brücke. Ach, ich weiß auch nicht...
Vielleicht ist es ganz gut, dass Pit schließlich die Initiative ergreift und die beiden anderen aus ihren Tagträumen aufscheucht. Es geht weiter, nicht hinter die Brücke, sondern darüber hinweg, einen Betonweg und dann eine Treppe hinauf auf einen wunderschönen Panoramaweg: rechts tief unter uns das Meer, links Blütenteppiche und eine herrlich weite, hügelige Landschaft, jeder Ausblick phänomenal. Doch die Pracht währt leider nicht lange. Wir laufen wieder auf Asphalt, auf einer Straße mit mindestens zehnprozentiger Steigung. Ich möchte bloß mal wissen, wie hoch hinaus wir hier eigentlich noch müssen? Und das Schlimmste: Irgendwann müssen wir auch wieder herunter.
Wir erreichen Onton. Hier verlassen wir das Baskenland und betreten kantabrischen Boden, was uns im Moment ziemlich schnurz ist, Hauptsache, es hört endlich auf, so irrsinnig anstrengend zu sein. Unsere Rettung ist ein Fernfahrer-Restaurant, genau im Winkel einer S-Kurve, Autobahn in Sicht- und Hörweite, das Meer verborgen in der Tiefe der Steilklippen und nur vom Fenster des Speiseraumes aus zu sehen. Wir sitzen im vorderen Bereich des Restaurants und futtern, was das Zeug hält. Alles schmeckt sehr lecker und wir sind uns einig: Essen hebt ungemein die Moral und die Motivation. Selbst mein Knie gibt Ruhe, jedenfalls bis zu diesem glitschigen Pfad, der nach Miño hinunterführt.
Am Abend schreibt Pit in sein Tagebuch:
Es ist heiß und anstrengend. Endlich können wir die Straße verlassen und einen schmalen Pfad hinunter zur Küste gehen. Im Nachhinein stellt sich aber heraus: Es ist keine gute Strecke, sehr dornig und rutschig. Evas Knie gibt dieser Abstieg den Rest. Sie ist sichtlich frustriert. Sie tut mir so leid. Wir kommen nur langsam voran. In der kleinen Bucht, in der wir landen, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: nur ein paar alte Häuser und eine Bar am Hang, aus der beste Musik aus den 70er-Jahren zu hören ist. Hier könnte ich mir gut eine alte Hippiekommune vorstellen.
Wir steigen auf eine weitläufige Hochebene hinauf, und Christian entscheidet sich zu bleiben. Er hat ein Zelt dabei und möchte hier die Nacht verbringen. Ob wir uns wohl noch einmal wiedersehen? Doris, Eva und ich überlassen ihm unser restliches Wasser und wandern weiter über die Wiesen auf Castro Urdíales zu. Ein traumhaft schöner Ort. Am Ende des halbrunden Strandes steht auf einem Felsen eine alte Burg neben einer Kirche. Wir sind mal wieder überwältigt, und die Stimmung steigt.
Es gibt ein refugio, gleich hinter der Stierkampfarena, das allerdings noch eine Baustelle ist. Alles ist voller Bauschutt, und ich bin froh, dass ich meinen Schlafsack zum Schutz vor dem Dreck in meinen federleichten und dünnen Seidenschlafsack stecken kann...
Im refugio treffen wir auf sieben weitere Pilger, drei Männer und vier Frauen, alle freundlich distanziert, was uns heute ganz recht ist. Nur Gerd gesellt sich zu uns. Er ist 62 Jahre alt, allein unterwegs und ein richtiger Genießer. Wir lagern uns auf der Bank vor unserer Unterkunft, werfen unsere Vorräte zusammen und essen gemeinsam zu Abend. Pit und Doris haben, während ich unter der eiskalten Dusche stand, Wein eingekauft, und Gerd findet tatsächlich zwischen Stapeln von Fliesen, Zementsäcken und herumliegenden Werkzeugen ein paar Plastikbecher, aus denen wir unseren vino tinto schlürfen. Es wird richtig lustig, besonders, als Gerd eine Packung Zigarillos zückt und Pit einen anbietet. »Nur, wenn du für Eva auch einen hast«, schmunzelt Pit. Gerd fällt fast von der Bank: Was? Eine Frau, die Zigarillos raucht? Und Doris schüttelt nachsichtig den Kopf: Fängt das schon wieder an... Wir schmoken zu dritt, während Doris sich am Wein gütlich tut. Schade, dass wir so erschöpft sind. Vielleicht aber auch ganz gut, denn sonst hätten wir heute Abend sicher lange kein Ende gefunden.
11. TAG CASTRO URDIALES — LAREDO
Nach einer guten Nacht und einer kalten Dusche gehen wir hinunter in den Ort, um uns die Kirche anzusehen und Kaffee zu trinken. Gerd ist bei uns, und zu viert machen wir uns auf zur Besichtigungstour. Wir kommen an einer Meeresbucht vorbei, die bloß durch ein Geländer vom Bürgersteig getrennt ist. Das Meerwasser schäumt im Rhythmus des Wellenganges unter den ausgehöhlten Felsen hindurch in eine Art Becken und überspült einen kleinen Kieselstrand. Auf der linken Seite des Beckens
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