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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Prawitt
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entgegenstellen und sich den Berg hinaufwinden, begleitet von gelb und weiß gesprenkelten Blumenteppichen zwischen bizarren Steinen. Die Luft flirrt vor Sonnenhitze, über dem Wasser steht rauchiger Dunst, ein kühler Meereswind streichelt unsere Haut. Die Stufen herunter kommen uns ein paar Leute entgegen. Oben bei der Kirche ist niemand mehr. Wir sind ganz allein. Nur Salamander quirlen zu Hunderten glitzergrün in den Fugen und Ritzen der Mauern oder liegen starr und sonnenverliebt auf glatten Steinen.
    Pit und ich schlendern um die Kirche herum. Der Platz ist knapp bemessen, es sind nur wenige Meter, bevor sich der Berg wieder ins Meer stürzt. Die Kirche ist verschlossen. Doch man kann durch ein vergittertes Fensterchen ins Innere lugen. Drinnen ist es düster. Draußen hängt ein Glockenzug. Pit und ich betätigen uns als Glöckner. Der Wind trägt den Glockenklang übers Meer, und wir fragen uns, wer uns jetzt wohl hört. Irgendjemand, den wir nicht kennen und der von unserer Existenz nicht einmal etwas ahnt? Wir bummeln auf die dem Meer zugewandte Seite der Kirche. Vor uns nichts als blaue Weite, der Übergang von Himmel und Wasser kaum auszumachen. Alles läuft zusammen zu einer fernen Endlosigkeit, vor der wir uns winzig und vergänglich fühlen, aber gleichzeitig auch als Teil eines großen Ganzen, in dem wir aufgehoben und geborgen sind. Es ist, als hätte sich spaltbreit ein Fenster zum Himmel geöffnet und Gott selbst erlaubte uns einen flüchtigen Blick hinein.
    Ich setze mich in eine schattige Nische in der Kirchenmauer. Pit zieht sein T-Shirt über den Kopf und lehnt sich gegen das Geländer, das den ganzen Bereich um die Kirche herum zur Steilküste hin absichert. Sein Körper hebt sich warm und lebendig gegen den blauen Hintergrund ab. Ich könnte ihn stundenlang ansehen, und es kommt mir vor, als hätte ich seit Ewigkeiten auf Momente wie diese gewartet. Jetzt könnte die Zeit stehen bleiben.
    Wir schweigen lange. Und als wir schließlich wieder miteinander reden, reichen unsere Worte nicht aus, so glücklich sind wir. Wir nehmen unsere Tagebücher zu Hilfe, lesen uns gegenseitig die Eintragungen der letzten Tage vor und freuen uns darüber, wie sehr wir uns ergänzen. Das werden wir jetzt öfter machen: Wir nehmen uns vor, jeden Abend unsere Tagebücher auszutauschen, gewissermaßen als kleine Bettlektüre vor dem Einschlafen, zuerst aber, um ganz dicht aneinander dranzubleiben.
    Doch nun wird es Zeit, unsere Inselabgeschiedenheit zu verlassen. Es ist halb vier, und ich werde allmählich unruhig. Ob unser Fahrer auftauchen wird?
    Ich bin erleichtert, als er pünktlich und zuverlässig genau an der Stelle erscheint, an der er uns vor zweieinhalb Stunden abgesetzt hat. Und auch Doris erwartet uns genau dort, wo wir uns voneinander getrennt haben. Sie hat einen hübschen kleinen Altstadtrundgang hinter sich, hat in einem Straßencafé eine Kleinigkeit gegessen und ist ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgegangen: Leute beobachten. Sie wirkt sehr entspannt und zufrieden. Offensichtlich hat auch ihr dieser ungestörte und einsame Nachmittag gutgetan. Im Zug gesteht sie mir, wie erleichtert sie ist, dass sie heute mal nicht hat wandern müssen. So ein gemütlicher Ausruhtag zwischendrin ist schon was Feines. Wir können ihr da nur zustimmen!
    In Bilbao empfängt uns leichter Nieselregen. Wir müssen zur Jugendherberge, wissen aber nicht, wie. Zwei Frauen, eine junge und eine ältere, nehmen sich unser an und führen uns unter Arkaden in den Altstadtkern hinein. Bei Sonnenschein ist es hier sicher wunderschön. Aber im Moment, und vielleicht auch nach den Eindrücken und Empfindungen unseres fantastischen Nachmittags, erscheint mir Bilbao düster und eng. Im Vorbeigehen besichtigen wir die Santiago-Kathedrale, einen gotischen Dom, der neben der Kathedrale von Santiago de Compostela die einzige
    Hauptkirche Spaniens ist, die dem Apostel Jakobus geweiht ist. Ihre hellen, freundlichen Sandsteinmauern, die leuchtend bunten Glasfenster und ihre filigrane Architektur erwecken den Eindruck von etwas sehr Leichtem, Schwebendem, himmelwärts Emporgehobenem. Die Kathedrale ist das einzige Bauwerk Bilbaos, das wir von innen sehen. Außer natürlich der Jugendherberge...
    Die Fahrt dorthin ist ein Abenteuer. Es geht mit dem Bus einmal quer durch die Stadt. Doris, Pit und ich, von der Einsamkeit des Nachmittags noch ganz beseelt, verteilen uns in verschiedene Ecken. Von Haltestelle zu Haltestelle füllen sich die

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