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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Prawitt
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liebevoll hinaus. In seinem Zimmer geht es lautstark weiter. Bei ihm sind die junge Frau, die so dringend » womenthings « benötigte, und ihr Bruder untergekommen. Die drei spielen Karten und haben mächtig Spaß dabei, den alle auf dem Flur mitbekommen, bis Pit einschreitet. Wir wollen ja keine Spielverderber sein, aber morgen früh ist die Nacht vorbei, und wir brauchen unseren Schlaf. »Geht’s nicht auch ein bisschen leiser?« Es geht, und keiner ist pikiert, beleidigt, verschnupft oder verstimmt. Na also...

17. TAG CÓBRECES — SAN VICENTE DE LA BARQUERA

    Es ist sieben Uhr abends. Pit und ich sitzen frisch geduscht auf der Wiese vor unserer Herberge. Unsere gewaschene Wäsche trocknet auf dem Ständer. Ich genieße den herrlichen Blick über die Stadt und auf das Meer und freue mich auf das Abendessen, das ich nicht selber zubereiten muss. Ein echter Luxus auf dem Camino: Ich brauche wochenlang nicht zu kochen. Heute erledigt das unsere hospitalera. Aber es ist noch Zeit. Also schlage ich mein Tagebuch auf und schreibe.

    Aus Evas Tagebuch:
    In der Nacht hat es geregnet, aber heute Morgen ist der Himmel wieder blau und die Luft klar. Mit Doris haben wir noch im Ort gefrühstückt und sie dann zur Bushaltestelle begleitet. Um zehn nach zehn soll der Bus kommen. Und wenn nicht? Sie muss in Santillana ihren Anschlusszug nach Bilbao erwischen, um rechtzeitig am Flughafen zu sein. Doch mit den Bussen ist das hier so eine Sache. Außer an den Busbahnhöfen sind die Abfahrts- und Ankunftszeiten nicht sicher. Aber heute klappt alles prima. Wir winken Doris hinterher, bis der Bus nicht mehr zu sehen ist. Komisch, jetzt ohne sie weiterzugehen. Unterwegs sage ich noch oft, wie gut es Doris hier gefallen hätte.
    Der Weg ist sehr malerisch, es gibt viele »echte« Wanderwege, weichen Wald- und Wiesenboden und kaum Asphalt — eine Wohltat für Füße und Knie. Die Ausblicke sind sehr kontrastreich: Erst Nordhessen mit Meerblick, und nur 20 Minuten später könnte man meinen, im Voralpgebirge zu sein, mit schneebedeckten Zweitausendern. Einzigartig und abwechslungsreich.
    Wir kommen durch reinliche, ruhige Dörfer. Die Häuser aus Natursteinen sind von der Straße durch Feldsteinmauern abgegrenzt. Irgendwie toskanisch. Merkwürdig, wie wir versuchen, das Neue, das wir hier sehen und erleben, mit dem uns Bekannten zu vergleichen. Offensichtlich tut es gut, an Vertrautes anzuknüpfen. Dabei möchte ich eigentlich Neues entdecken und lernen, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Gar nicht so einfach!
    Im historischen Zentrum von Comillas machen wir eine kurze »Eispause«, verlaufen uns am Ortsausgang an der Universidad Pontificia, finden zurück zu den gelben Jakobspfeilen und treffen schließlich wieder auf das Meer. Oberhalb der Küste marschieren wir bis nach Travia, wo ein alter Spanier uns einige Hundert Meter begleitet und uns begeistert von seiner Zeit in Deutschland erzählt. Wir sind gerührt und lassen ihn nur ungern zurück.
    Bergab geht es zum Meer ins Naturschutzgebiet von Oyambre. Und wen sehen wir da lässig am Strand in der Sonne liegen? Es ist Christian, der sofort seinen Rucksack schultert und mit uns um die Bucht zum Strand von La Rabia läuft. Das Meer funkelt einladend blau und türkisgrün, und Pit und ich wollen die Gelegenheit nutzen und schlüpfen in Badeanzug und — hose. Aber das Wasser ist eisig, und die Wellen sind viel zu heftig und unberechenbar. Also toben wir bloß am Strand herum. Zumindest die Beine werden nass, und der Rest bekommt eine herrliche Erfrischung. Anschließend teilen wir mit Christian unseren Proviant. Das ist heute ein toller Tag. Es stimmt einfach alles.
    Pit und ich reden viel. Wir sind in Hochstimmung und haben eine Menge Energie und Freude...
    Eigentlich wollten wir in Gerra übernachten. Aber spontan entschließen wir uns, dort bloß einen Kaffee zu trinken und dann mit Christian weiterzulaufen. Das Meer belebt uns ungemein!
    Gegen sechs erreichen wir unsere albergue. Sie liegt oben auf dem Berg in San Vicente in der Nähe der Kirche und sieht aus wie eine riesige Garage. Jedenfalls steht so etwas wie ein Garagentor offen wie ein Raubtiermaul. Und um ins Haus zu gelangen, muss man auch durch einen garagenähnlichen Raum, der vollgestopft ist mit Wäscheständern und Gartenstühlen und irgendwelchem Plunder. Dahinter gibt es ein Zimmer mit einem langen Tisch, in der Ecke ein Computerplatz und ein niedriges Sofa, auf dem sich Decken türmen. Schuhe bleiben draußen.

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