Und was wirst du, wenn ich gross bin
»Comedyberater«. Da es eine Komödie war, geschrieben von einem der bekanntesten englischen Comedians, Fernsehautoren und Schriftsteller, wollte man sicherstellen, dass die englischen Wortspiele auch in Deutsch aufgingen. Trotzdem wurde ich engagiert. Das Arbeiten mit diesem Mann gehört zu den beeindruckendsten Erlebnissen, die ich je hatte. Von ihm lernte ich, wie viel Musik im Sinne von Rhythmus im gesprochenen Wort steckt und wie dieser Rhythmus Einfluss auf Pointen nimmt. Er konnte bei den Proben an der Art, wie der Text gesprochen wurde, erkennen, ob der Witz »funktionierte«, obwohl er kein Wort Deutsch sprach. Das ist, wie wenn der Pilot eines Flugzeugs bei der Autofahrt zum Flughafen merkt, ob im Flieger die Getränke ausgegangen sind.
Das Stück selbst handelte von einem jungen Musiker, der auf der Suche nach einer legendären Gitarre ist, mit Hilfe derer er die Welt von Tyrannei befreit. Das passte, mit der Suche nach Gitarren war ich ja weitläufig vertraut. Die Musik dazu war von Queen. Und ich hatte mit eben jenen einen der seltsamsten Momente meines Lebens, als ich um zwei Uhr nachts in Köln im Fastfoodtreff des Hauptbahnhofs stand, zusammen mit einer Handvoll Musicaldarsteller, und von einem der genialsten Gitarristen aller Zeiten zu Burger und Pommes eingeladen wurde. Ich sehe ihn heute noch dort stehen. Um ihn herum ein paar versprengte Nachtschwärmer, die ihn anschauten, aber genau wie ich nicht glauben konnten, was sie sahen, weil man Brian May einfach nicht nachts im Hauptbahnhof in der Burgerbraterei trifft, ebenso wenig wie man Barack Obama in der Sauna des Fitnessclubs begegnet.
Zur Premiere des Stückes hatte ich Iris extra ein großartiges Kleid gekauft, eines von der Art, der man auch in Zeitschriften beim Friseur über den Weg läuft. Dann, eine Woche vor der Premiere, trennten wir uns. Als wir trotzdem gemeinsam die Premiere besuchten, schon um das Kleid nicht zu enttäuschen, war es gleichzeitig erhebend und furchtbar. Doch wir hatten eine wunderbare Zeit gehabt, und sie wird immer Mitglied meiner Familie sein. Sogar meine Mutter hat sie informell adoptiert. Freud und Leid liegen manchmal wirklich arg nah beisammen, wie jeder weiß, und manchmal schlafen sie sogar miteinander.
Auf der Premierenfeier ging dann noch eine weitere persönliche Geschichte zu Ende. Bei meinem Abitur hatte, wie erwähnt, die Musik von Queen meiner Mutter geholfen, sich aus einer sehr schwierigen Lage zu befreien, und ich konnte nun dem Mann, der bei dem dafür verantwortlichen Song Gitarre spielte, persönlich dafür danken. Diese Möglichkeit hat man selten.
Außerdem zeigt es, dass auch scheinbar absurde Absichten real werden können, im Gegensatz zu wirklich absurden Absichten. Wie man die beiden voneinander unterscheiden kann, weiß ich allerdings nicht.
In all der Trauer um die längste Beziehung, die ich jemals hatte, ging das allerdings eher unter, darüber freuen konnte ich mich erst viel später. Ich merkte auch kaum, dass ich in all dem Chaos anfing, mich erneut zu verlieben. In eine Sängerin. Doch dieses Gefühl blieb eher einseitig. Wieder mal hatte sich ein Kreis geschlossen - und ich hatte das Gefühl, darauf Karussell zu fahren. Zumindest war das Karussell diesmal wie die Gitarre von Queen: elektrisch angetrieben.
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comedian
Selbst auf die Bühne zu steigen ist im Unterschied zur Autorenschaft weniger eine wachsende Berufung als eine Inkontinenz, mit Tendenz zum Durchfall. Man muss, und wenn man muss, muss man dringend. Das Bild bezieht sich in diesem Fall natürlich vorrangig auf die Form, nicht auf den Inhalt der Bühnenpräsentation.
So hatte auch ich, neben der Erfahrung in Schottland, mit Anfang dreißig schon einmal versucht, selbst die Bühne zu erobern, im Vorprogramm von Freunden. Ich hatte meine ersten Texte geschrieben und wollte sie live ausprobieren. Weil ich gerade am Anfang der Wunscherfüllungsphase stand, packte ich gleich alles hinein, was ich sonst noch sein wollte. So nahm ich mir kleidungstechnisch Bruce Willis in seiner Rolle in Die Hard und Ronnie Van Zant von Lynyrd Skynyrd zum Vorbild: Ich trug eine Anzughose, ein Unterhemd, und ich war barfuß. Ich bin mir heute nicht mehr so sicher, dass dies die optimale Wahl war. Aber ich wollte es so.
Überhaupt war der Auftritt generell von meinem Wollen geprägt. Und die Reaktion darauf war … Wohlwollen, insofern, als dass die Zuschauer sich offensichtlich dachten: »Der zappelnde Mann ohne Schuhe da
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