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Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Kae Myers
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öffnen sollen. Doch da das Mädchen mit der Kette aufgetaucht war, kam ich nicht mehr dazu.
    Gegen meinen Willen begann ich in Richtung Seale House zu laufen und wurde immer schneller. Ich spürte, dass Jack genau das die ganze Zeit gewollt hatte. Ich rannte geradewegs zu ihm, in der Hoffnung, dass er dort sein würde – endlich wollte ich wieder zu dem einen Menschen, dem ich etwas bedeutete.
    Jack, wo bist du? Meine Schuhe schlugen lärmend auf den Asphalt und gaben im Nebel ein gedämpftes Echo ab. Jack, mein Drachentöter …
    War er nicht der Einzige, der mich niemals betrogen hatte? An der bitteren Wahrheit gab es seit dem Gespräch zwischen Noah und Sam Lessing, das ich mit angehört hatte, keinen Zweifel mehr.
    Jack, o Jack … und weg bist du. Wenn ich dich am meisten brauche, Jack. Bitte, Jack, geh nicht … Jack!
    Schnaufend rannte ich weiter. Weg bist du noch lange, lange nicht …
    Wie aus dem Nichts tauchte ein Auto aus dem Nebel vor mir auf, fuhr vorbei und verschwand mit dröhnendem Motor wieder. Jack und Jocey liefen mal nach Seale …
    Ich bog in die Straße ein und rannte zu dem Haus zurück, vor dem ich den Großteil der letzten fünf Jahre fortgerannt war.
    Sie kamen an ein Häuschen, aus Pfefferkuchen fein …
    Ich bekam einen Krampf und Seitenstechen. Nach Luft ringend verlangsamte ich das Tempo.
    Wer mag der Herr wohl in diesem Häuschen sein …
    Ich musste gehen und hielt mir die Seite, in der Hoffnung, das Stechen möge aufhören. Schließlich baute sich die halb abgebrannte Ruine von Seale House vor mir auf. Ich hastete über die Straße und die Stufen hinauf. Dann stieß ich die Tür auf und tauchte ins Halbdunkel ein.
    Statt zu verschwinden, wurde der Schmerz in meiner Seite immer schlimmer. Ich krümmte mich. Das war nicht der richtige Moment für eine Blinddarmentzündung. Ich zwang mich weiterzugehen, bis ich die Treppe zur oberen Etage erreicht hatte. Während ich hinaufstieg, durchzuckte mich noch ein schlimmer Krampf und ich musste stehenbleiben.
    Ich zerrte mein T-Shirt hoch, zog am Band der Jogginghose und schob sie hinunter, um die schmerzende Stelle an der rechten Seite meines Unterleibs zu begutachten. Auf den ersten Blick war nichts zu sehen und ich war erleichtert. Doch dann beobachtete ich entsetzt und fasziniert zugleich, dass sich unter der Haut dunkle Linien abzuzeichnen begannen.
    Schmerz und Furcht ließen mich nach Luft schnappen, aber ich konnte den Blick nicht von der geschwungenen, tintenschwarzen Linie abwenden, die wie alte Runen auf meinem Fleisch auftauchten. Immer mehr Einzelheiten wurden sichtbar, als würde eine heiße Nadel die Farbe mit rasender Geschwindigkeit in meine Haut brennen. Ich taumelte rückwärts gegen das Geländer und wäre fast gestürzt, doch im letzten Moment konnte ich mich abfangen.
    »Was geht hier vor sich?«, kreischte ich.
    Seale House schwieg. Schlimmer noch: Nicht einmal der Hall meiner Worte war zu hören. Es war, als hätten die Wände sie geschluckt. Wie gebannt starrte ich auf das schwarze Motiv, das sich aus immer mehr Schnörkeln und Linien aufbaute, bis schließlich eine exakte Nachbildung des mittelalterlichen Kreuzes entstanden war, das ich in der Hand hielt. Angewidert warf ich das Papier fort und wusste zugleich, dass ich das Bild, das sich mir ins Fleisch gebrannt hatte, nicht so leicht loswerden würde.
    »Was tust du mit mir?«, schluchzte ich, den Blick auf das vollendete Kreuz gerichtet.
    In dem Moment glaubte ich Jacks Stimme wie ein unheimliches Echo aus der Ferne zu vernehmen.
    »X markiert den Punkt.«

fünfunddreißig
JACK
    Irgendwie schaffte ich es in die erste Etage und in den dunklen Flur, der zu Hazels Zimmer führte. Meine Seite schmerzte noch immer, allerdings nicht mehr so stark, jetzt, wo das Motiv vollständig war. Ich durfte es nur nicht ansehen, sonst würde ich wahnsinnig werden.
    Der Fußboden knarrte und ächzte noch viel schlimmer als früher. Allein um mich in Seale House vorwärtszubewegen, musste ich all meinen Mut zusammennehmen. Noch immer stank es nach Rauch und feuchtem Holz. Die Mischung erinnerte an den üblen Gestank von Verwesung. Kurz kam mir der Gedanke, das Haus sei ein riesiger Kadaver, in dem nichts Menschliches überleben konnte. Ich setzte meinen Weg am Mädchenzimmer vorbei fort und dachte daran, wie Evie hier immer mit ihrer Puppe geredet hatte, wie Juliann zusammen mit Laura Puzzle gelegt und Beth ihr Messer poliert hatte. Es war der Ort, wo ich stundenlang davon

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