Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Kae Myers
Vom Netzwerk:
jetzt wusste ich auch, warum.
    Noah hatte die ganze Sache nicht wegen Jack oder mir mitgemacht. Sam Lessing bezahlte ihn. Und alles, was zwischen uns geschehen war, wurde damit zur Lüge. Ich war so dumm gewesen, jemand anderem als Jack zu vertrauen. Plötzlich fühlte ich mich wieder wie die linkische Jocey, die niemand wollte und niemand mochte, deren Leben eine Farce und deren Zuneigung nichts wert war.
    Die Tür öffnete sich. Ich trat aus dem Fahrstuhl heraus und ging ruhig und entschlossen am Empfangstresen vorbei. Der Beamte, der dort saß, schien nichts Ungewöhnliches daran zu finden, wofür ich dankbar war. Unbehelligt verließ ich das Gebäude, lief die Stufen hinab und stand schließlich auf dem Gehsteig. Watertown war in Nebel gehüllt wie in einen geisterhaften Brautschleier. Ich eilte davon, bis das Polizeirevier nur noch eine ferne Illusion war.
    Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich durch den Nebel lief, bis ich endlich ein Taxi fand. Ich stieg hinten ein, schloss die Tür und gab dem Fahrer die Adresse des Tattoostudios. Noahs Formulierung von dem ›letzten Auftrag‹ ging mir während der gesamten Fahrt nicht aus dem Kopf. Ich versuchte den Schmerz zu verdrängen, doch er war so beißend wie die Körner in einem Sandsturm.
    Als das Taxi vor dem Geschäft anhielt, bezahlte ich den Fahrer mit dem 20-Dollar-Schein, den ich zuvor aus dem Geldautomaten gezogen hatte. Es fuhr ab und ich ging an Noahs schwarzem Jeep Cherokee vorbei. Abermals kam das Gefühl zerstörter Hoffnung in mir hoch. Ich wandte den Blick ab und öffnete schnell die Tür zu dem Laden. Als ich eintrat, läutete über meinem Kopf eine Glocke.
    »Bin gleich da«, rief eine schroffe Stimme durch den schwarzen Vorhang hinter dem Tresen.
    An den Wänden hingen unzählige Tattoomotive und in einer Glasvitrine waren diverse Spezialmesser und Dolche ausgestellt. Die meisten hatten verzierte Griffe, einige waren eher funktionell. Ich entdeckte auch ein Messer in einer schwarzen Lederschatulle, das genauso aussah wie das, was Jack mir hinterlassen hatte.
    Ich konnte zwei Stimmen hören und linste durch den Schlitz in dem Vorhang. Doch ich sah nicht viel mehr als den Rücken eines stämmigen Typen mit kurz geschorenen Haaren und Tätowierungen an den Armen und am Hals. Neben ihm waren die Beine einer jungen Frau zu erkennen, die in einem Stuhl lag. Sie bekam offenbar gerade ein Tattoo auf den Knöchel gestochen und ihrem Jammern nach zu urteilen war es eine schmerzhafte Stelle für eine Tätowierung.
    Einen Moment später legte der stämmige Kerl sein Werkzeug weg, drehte sich um und trat durch den schwarzen Vorhang. So unhöflich es sein mochte, ich konnte nicht anders, als die Person anzustarren, die gar kein Kerl war.
    »Hallo Beth«, stammelte ich. Sie war deutlich kräftiger als früher und ihr ehemals langes rotes Haar war jetzt nur noch einen halben Zentimeter kurz. Die Ohren und hellen Augenbrauen waren gespickt mit Piercings. Sie trug ein locker sitzendes Tank-Top, das den Blick auf einen Körper freigab, der über und über mit den unterschiedlichsten, ineinander verschlungenen Motive bedeckt war.
    Lächelnd sagte sie: »Wie schön dich wiederzusehen, Jocelyn.«

vierunddreißig
»X«
    Wenn mir früher jemand gesagt hätte, dass mich die Brutale Beth eines Tages mit schwabbeligen, tätowierten Armen an sich drücken und dabei ohne Unterlass plappern würde, hätte ich es sicher nicht geglaubt. Doch genau das tat sie. Ungläubig stand ich da, während sie auf mich einredete, als wären wir alte Freunde, die sich erst vor wenigen Tagen wie so oft getroffen hatten. Es war faszinierend.
    »Jocelyn, ich hätte dir etwas sagen sollen, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Du bist eine der besten Freundinnen gewesen, die ich je hatte. Als wir in Seale House in einem Zimmer gewohnt haben, hast du dir immer die Zeit genommen, mit mir zu reden. Auch wenn ich zu schlecht drauf war, um darauf zu reagieren. Am Anfang konnte ich dir noch nicht sagen, wie viel es mir bedeutete, und später habe ich es irgendwie vergessen. Du weißt ja, wie das ist.«
    »Hallo?«, rief das langbeinige Mädchen aus dem Hinterzimmer. »Machst du das Tattoo noch fertig oder nicht?«
    »Ich bin gleich wieder da!«, brüllte Beth in Richtung des Vorhangs.
    Als sie sich wieder zu mir umdrehte, hob sie gereizt die Augenbrauen und schüttelte den Kopf, als teilten wir ein Geheimnis. »Sie sollte sich überlegen, ob sie jemanden nerven will, der sie mit der Nadel

Weitere Kostenlose Bücher