Und weg bist du (German Edition)
Nachdenken, weshalb ich sie erst einmal versteckte. Dann fuhr ich nach Kanada, wo ich eine Tour durchs Parlament und auf den Peace Tower machte. Dort kam ich auf die Idee mit den Rätseln.
Du hast dich wahrscheinlich gefragt, warum ich dich auf diese eigenartige Schnitzeljagd geschickt habe. Zum einen wollte ich, dass du noch einmal in den Keller gehst. Du hattest immer solche Angst davor, vor allem weil er dich an Edgar und das, was du getan hast, erinnerte. Als wir uns das letzte Mal über Seale House unterhielten, habe ich ihn erwähnt, aber du hattest ihn vergessen … oder verdrängt, wusstest du das? Ich glaube, es ist wichtig für dich, diese Sache loszulassen. Letztendlich warst du nur ein Mädchen, das versucht hat wie eine Erwachsene zu handeln, und hast getan, was getan werden musste. Ich glaube nicht, dass man dir das vorwerfen kann.
Außerdem habe ich dich zum Peace Tower geschickt, weil ich wollte, dass du aus großer Höhe auf Gatineau herabschaust und merkst, wie unbedeutend Melody und Erv und der ganze Ort sind, obwohl du dort so leiden musstest. Auch wenn wir nur einige Tage dort waren, hat das, was Melody dir angetan hat, Narben hinterlassen. Doch jetzt, aus der Ferne, hast du hoffentlich gemerkt, wie klein und wertlos sie war? Genauso wie die Schnepfen in der Schule in Watertown und Hazel mit ihren Grausamkeiten. Sie alle sind nichts als Kieselsteine am Strand. Wenn du sie dir dicht vor die Augen hältst, wirken sie riesig, aber wenn du sie dorthin legst, wo sie hingehören, rückt sich die Perspektive zurecht und es zeigt sich, was sie wirklich sind.
Drittens habe ich dich zu dem Siebenten Buch in der Gedenkhalle geschickt, weil dort all jener gedacht wird, die ihr Leben in Friedenszeiten verloren haben, was in gewisser Hinsicht auch auf mich zutrifft.
Ich hielt die Zettel fest umklammert und blickte auf. Was meinte Jack damit? Ich las weiter.
Außerdem schien es mir wichtig, dass du all den Menschen wiederbegegnest, die dir in der Vergangenheit Albträume bereitet haben. Du weißt selbst, wie du bist, Jocelyn. Es fällt dir schwer loszulassen. Deshalb wollte ich, dass du Dixon noch einmal triffst, damit du selbst siehst, dass es ihm gut geht, genauso wie Beth. Ich wollte auch, dass du Hazel erlebst und erkennst, wie hilflos sie geworden ist beziehungsweise wie jämmerlich sie eigentlich immer war.
Jetzt aber zum Hauptgrund für die Rätsel. Vor allem habe ich dich auf diese Schnitzeljagd geschickt, weil ich wollte, dass du Zeit mit Noah verbringst. Ich wusste, dass keiner von euch beiden widerstehen können würde diese Kopfnüsse zu knacken.
»O ja, das hat er gern getan, schließlich wurde er ja dafür bezahlt.«
Es gibt etwas, was du nicht über ihn weißt, Jocey. Beim Chatten hat er mir einmal gestanden, dass er schon damals, als wir noch Kinder waren, in dich verliebt gewesen ist.
Bestürzt starrte ich auf den Brief. Wie konnte das sein? Wie hatte Noah dann bei unserem ersten Wiedersehen so abweisend reagieren können? Allerdings hatte er auch als Junge immer den harten Kerl gegeben. Nie war ich mir sicher gewesen, was er gerade dachte.
Noah hat mir gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er gern mit dir Kontakt aufnehmen würde, aber wenn ich dich darauf angesprochen habe, warst du stur und abweisend. Ich weiß, wie sehr dich unser letzter Abend in Seale House und was Noah damals zu dir gesagt hat, belastete, aber das ist fünf Jahre her. Er ist nicht mehr wütend, und auch wenn er nicht der Typ ist, der dir Blumen schicken oder ein Gedicht schreiben würde – was dir ohnehin nicht gefiele –, steckt bei ihm viel mehr dahinter, als die Oberfläche vermuten lässt.
Und ich weiß, dass er auch dir nicht egal ist. Du warst zwar damals erst zwölf Jahre alt, aber deine Gefühle für Noah haben nie nachgelassen. Das habe ich an deiner Stimme gemerkt, wenn wir über ihn gesprochen haben.
Deshalb wurde mir irgendwann bewusst, dass ich aufhören muss dir den Rücken freizuhalten. Die Zeit ist reif, dass du dich der Vergangenheit stellst, damit die Wunden endlich heilen.
Beim Verstecken der Rätsel beschloss ich auch, die Arbeit für ISI aufzugeben, weil man den Leuten dort nicht vertrauen kann. Deshalb habe ich, als ich die Nachricht von dem schlimmen Unfall in Norwich las, ein Foto von dem völlig zerstörten Wagen runtergeladen, einen falschen Bericht inklusive meines Namens dazu verfasst und dann alles zusammen an Sam Lessing geschickt. Ich wusste, dass es Zeit war,
Weitere Kostenlose Bücher