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Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Kae Myers
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seiner Stimme hören. Wir beide hatten die Hoffnung, dass das Leben in einer Pflegefamilie besser werden könnte als das, was wir bis jetzt kannten. Vielleicht sogar sehr viel besser.
    Er zuckte mit den Schultern und fragte dann lachend: »Glaubst du, wir sind gestorben und jetzt im Himmel?«
    Bevor ich antworten konnte, hatten wir die Stufen zur Veranda erreicht.
    Langsam öffnete ich die Augen. Nach all den Jahren gab ich ihm endlich eine Antwort und murmelte laut: »Nein, Jack. Wir sind gestorben und in der Hölle gelandet.«
    Das Licht ließ nach und ich rief mir in Erinnerung, dass nur eins schlimmer war, als Seale House zu betreten – nämlich, es im Dunkeln betreten zu müssen. Die Verzweiflung konnte noch so groß sein, nach Sonnenuntergang würden mich keine zehn Pferde dort hineinbringen. Deshalb eilte ich über die Straße und legte mir in Gedanken den schnellsten Weg durch das Haus zurecht, während ich mir sagte: »Du gehst da rein, schaust dich um, ob du einen Hinweis findest, und dann bist du auch schon wieder draußen.« Ich würde mich gar nicht lange drinnen aufhalten müssen.
    Die Pflegekinder in Seale House benutzten den Haupteingang genau zwei Mal: wenn sie ankamen und wenn sie diesen Ort für immer verließen. Folglich schlug ich mich nach rechts an der Seite des Hauses entlang, die nicht verkohlt war. Dabei kam ich an Oleanderbüschen und Stechpalmen vorbei, die die Kinder davon hatten abhalten sollen, aus den Fenstern zu klettern. Ich blickte zu den matten Scheiben hinauf, in denen ich schwach mein Spiegelbild sah. Meine rege Fantasie ließ sie zu Augen werden, die mich mit trübem Blick beobachteten. Schnell schaute ich zur Seite und mir fiel auf, dass das Gras höher war, als ich es je zuvor gesehen hatte. Auch wucherte Unkraut in den Beeten, was zu meiner Zeit hier undenkbar gewesen wäre. Dann schlüpfte ich durch die Lücke zwischen dem brüchigen Holzzaun und dem Haus hindurch – dabei musste ich mich ganz schön dünn machen, schließlich war ich nicht mehr zwölf.
    An der hinteren Ecke befand sich der kleine Seiteneingang, den wir früher immer benutzt hatten. Ich legte meine Hand auf den Knauf und rechnete fast damit, von einem elektrischen Schlag getroffen zu werden, doch ich spürte nichts als kaltes Metall. Natürlich war die Tür verschlossen. Für einen Moment verengte ich den Blick und erinnerte mich daran, wie Jack es gemacht hatte: den Knauf ganz nach links drehen, anheben und dann einige Male hin und her ruckeln . Die Angeln waren lose, so dass genug Spielraum da war, um den Bolzen herausspringen zu lassen. Die Tür ließ sich geräuschlos öffnen, was mich mehr beunruhigte, als wenn sie laut gequietscht hätte. Jack und Noah hatten die Angeln immer gut geölt, damit wir uns herausschleichen konnten, ohne dass Hazel Frey uns hörte. Doch wer hatte sich darum gekümmert, seit hier keine Pflegekinder mehr lebten?
    Ich trat in den kleinen Vorraum und stieg dann leise die beiden Stufen zu dem Gang hinauf, der in die Küche führte. In dem Haus war es zwar düster, aber nicht stockdunkel, so dass ich immer noch sehen konnte. In der Mitte des Raumes stand ein langer Arbeitstisch, der anders aussah als der, den Hazel Frey damals besessen hatte. Glas- und Porzellanscherben bedeckten den Boden, als hätte jemand wutentbrannt Geschirr aus den Schränken gezerrt. Stühle lagen herum, einer davon zerbrochen, und das alte graue Linoleum war verzogen und hatte Wasserflecke.
    Überall im Haus hing penetranter Rauchgeruch. Ich fragte mich, wie es so weit hatte kommen können, und dachte daran, wie damals einige der kleineren Jungen mehrfach versucht hatten die Vorhänge anzuzünden. Die Flammen waren jedoch jedes Mal schnell wieder erloschen, als könnte das Haus selbst Feuer löschen. Der kleine Dixon hatte immer von einem Zaubertrick gesprochen. Allein bei dem Gedanken daran lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
    Eilig durchquerte ich die Küche, ohne den Scherben unter meinen Schuhen Beachtung zu schenken. Im Speiseraum stand noch immer dieselbe Anrichte. Auch Tisch und Bänke erkannte ich wieder. Nur der Spiegel hatte inzwischen einen riesigen Sprung in der Mitte, der wie ein Spinnennetz aussah. Der Rauchgeruch wurde stärker und verursachte ein unangenehmes Jucken in meiner Nase. Als ich mich umdrehte, waren da Schatten, die mich erschrocken zusammenzucken ließen.
    Einen Moment lang glaubte ich meine ehemalige Zimmergenossin, die Brutale Beth, vor mir zu sehen. Sie hockte

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