Und weg bist du (German Edition)
ab. Auf der Leinwand waren mit Klebeband drei Dinge befestigt: ein Plastiktütchen, das fünf weitere Puzzleteile enthielt, ein schmaler Streifen rotes Papier mit vielen Buchstaben darauf sowie ein Schlüssel.
Wir schauten uns alles genau an. Besonders interessierte uns der Papierstreifen. Er war ungefähr eineinhalb Zentimeter breit und enthielt kurze Gruppen von Großbuchstaben.
»Auf der Rückseite sind auch noch welche«, stellte Noah fest.
Ich drehte das Papier um und sah mir diese Buchstaben ebenfalls an. »Sieht aus wie auseinandergeschnittene Wörter.«
Er lehnte sich in seinem Sitz zurück: »Auf ein Neues.«
»Was soll das heißen?«
»Na ja, wie lange soll das noch weitergehen? Uns wie Kinder auf eine Schnitzeljagd zu schicken ist ja ganz lustig, aber wenn plötzlich jemand wie Gerard dabei mitspielt, vergeht mir der Spaß.«
Ich betrachtete seine finstere Miene. »Du hast dich nie vor jemandem gefürchtet, Noah. Nicht einmal vor diesen Schlägertypen, die deutlich älter waren als wir und uns mit brennenden Zigaretten verfolgt haben. Warum hast du ausgerechnet vor diesem Kerl Angst?«
»Ich habe nicht um mich Angst. Mir wollte Gerard nicht an die Gurgel.«
»Oh.«
»Ich kann mich wahrscheinlich gerade noch gegen ihn verteidigen. Aber was deine Sicherheit angeht, sehe ich ein Problem. Verstehst du das denn nicht, Jocelyn? Er ist offenbar ganz heiß auf das, wonach Jack uns nun schon so verdammt lange suchen lässt. Was bedeutet, wenn wir es finden, sind wir dran, und wenn wir es nicht finden, dann auch. Gerard wird uns in beiden Fällen nicht in Ruhe lassen.«
Meine Besorgnis nahm sofort um ein Vielfaches zu. »Was sollen wir tun? Alles abbrechen und abhauen?«
»Nein, wir müssen weitermachen, ob wir nun am Ende Jack finden oder das, was er dir hinterlassen hat. Sonst werden wir nie herausbekommen, was hier gespielt wird.«
Er nahm mir den Papierstreifen aus der Hand, hielt ihn zwischen zwei Fingern und begutachtete ihn von beiden Seiten.
»Das ist eine Skytale«, fiel mir plötzlich ein. Fast schien es mir, als könnte ich Jacks Stimme so klar hören wie damals.
»Siehst du? Das System ist ganz einfach. Die Spartaner haben es bereits im fünften Jahrhundert entwickelt. Man braucht nur einen Streifen Papier um etwas Stabartiges wie diesen Bleistift zu wickeln. Die Kanten müssen sich leicht überlappen. Dann schreibt man die Botschaft quer über die Streifen.«
Noah und ich rückten näher und schauten ihm zu. Er malte einen oder zwei Buchstaben auf jede Streifenbreite und drehte den Stift dabei, bis er mehrere Zeilen gefüllt hatte:
»Monique ist dumm, Tabby ist blöd, Geena ist eine Heulsuse, Nessa nuckelt am Daumen.«
Wir lachten, als Jack den Streifen wieder abwickelte und ihn flach auf den Tisch der Cafeteria legte. Natürlich ergaben die Buchstaben keinen Sinn, weil sie nicht mehr in der ursprünglichen Reihenfolge waren.
»Und wirklich cool daran ist, dass man den Stab mit dem richtigen Durchmesser benutzen muss. Wenn du die Buchstaben auf einen Streifen Papier schreibst, den du vorher um einen dünnen Pinsel gelegt hast, und ihn dann um einen dickeren Bleistift wickelst, fügen sie sich nicht richtig zusammen und man kann den Text nicht lesen. So haben die Spartaner ihre Schlachtpläne weitergeleitet. Ihre Boten rannten meilenweit mit den Papierstreifen und brachten sie einem Kommandanten, der einen ebenso dicken Stab hatte wie der Absender. Wenn der Bote überfallen oder getötet wurde, konnte der Feind die Botschaft nicht entschlüsseln.«
Über uns bewegten sich die Äste im Wind wie die Arme von Hula-Tänzerinnen, während sich immer wieder dicke Wolken vor die Sonne schoben. Die Vögel flogen tief. Wie schön musste es hier sein, wenn man bei Sonnenschein für ein Picknick herkam und niemand dir im Verborgenen auflauerte. Ich fragte mich, ob es wohl je eine Zeit für mich geben würde, in der weder die Vergangenheit noch die Zukunft mein Leben bedrohten.
Noah nahm einen Stift aus dem Handschuhfach und wickelte den Papierstreifen darum, doch die Buchstaben ergaben keine lesbare Botschaft. »So einfach konnte es ja nicht sein.«
»Stimmt.«
»Aber auf der Rückseite des Bildes war kein Stab befestigt. Und was hat es mit dem Schlüssel auf sich? Er sieht aus, als würde er zu einem Postfach gehören. Leider ist die Nummer abgekratzt. Warum hat er das getan?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn Paul Gerard Jacks Hinweisen ebenfalls auf der Spur ist, dann wollte Jack
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