Und weg bist du (German Edition)
wissen.«
»Trotzdem …«
Er setzte sich vor mich und legte seine Hände auf meine Arme. »Jocelyn, lass uns einen Schnitt machen. Einigen wir uns darauf, dass das, was wir früher getan haben, nicht mehr zählt. Es zählt nur noch, was wir von jetzt an tun. Und wie wir weitermachen.«
Zögernd lächelte ich und versuchte meine Niedergeschlagenheit, meinen Schmerz und meine Schuld fortzuschieben. Er zog mich zu sich heran und küsste mich lange und zärtlich, während uns der kühle Wind um die Ohren blies. Langsam wurde ich ruhiger und entspannte mich. Schließlich hob Noah den Kopf und wir lächelten uns an, bis er mich plötzlich erschrocken losließ.
Er hob die linke Hand und starrte auf seine Handfläche, die leuchtend rot war. Fassungslos holte ich Luft, während er mich am Arm packte. Mein Ärmel war durchtränkt von Blut.
einunddreißig
KLARHEIT
»Was zum Teufel geht hier vor sich?«, fluchte Noah und schob meinen Ärmel hoch.
Ich schüttelte den Kopf, weil ich kein Wort herausbrachte. Wir starrten beide auf die blutige Bisswunde auf meinem Arm. Er zog ein weißes Taschentuch hervor und wischte damit das Blut ab. »Warum sieht das so viel schlimmer aus als gestern?«
»Vielleicht hat sich die Wunde entzündet?«
»Du musst zum Arzt.«
»Nein. Ein Arzt würde meine Pflegeeltern anrufen und sie sollen nicht wissen, dass ich hier bin.«
»Aber das kannst du doch erklären. Sie würden sicher wollen, dass die Verletzung behandelt wird.«
»Warten wir noch einen Tag ab.« Ich zog den Ärmel wieder hinunter und versuchte ruhig zu bleiben. »Vielleicht klingt es verrückt …«
»Was?«
»Irgendwie habe ich das eigenartige Gefühl, dass es eine Verbindung zwischen mir und Seale House gibt. Vielleicht ist es wegen der Sache damals.«
»Du meinst, die Sache mit Edgar?«
»Ja natürlich. Ich habe seinen Tod verursacht. Auch wenn es ein Unfall war. Wenn ich Hazel nicht in den Keller gesperrt hätte, wäre es nie passiert. Du meinst, wir sollten die Vergangenheit vergessen, aber ich bin mir nicht sicher, ob die Vergangenheit mich vergisst.«
Ich erinnerte mich an meine erste Auseinandersetzung mit Edgar und wie er mich an genau der gleichen Stelle in den Arm gebissen hatte. Aus Noahs besorgter Miene konnte man erkennen, dass er das Gleiche dachte.
Als die Wolken dunkler wurden und es zu regnen begann, machten wir uns auf den Weg zum Auto und fuhren los. Keiner von uns sagte etwas. Schließlich hielt Noah an einem Bankautomaten und wir holten uns beide ein wenig Bargeld. Dann fuhr er zu einer Drogerie, ging hinein und kehrte mit einer Tüte voller Erste-Hilfe-Utensilien zurück. Wir beschlossen ein McDonald’s-Restaurant aufzusuchen, weil wir wussten, dass die Toiletten dort sauber waren. Noah nahm meinen kleinen Koffer mit hinein.
Nachdem er die Tür abgeschlossen hatte, zog ich meinen blutbefleckten Pullover aus und warf ihn in den Mülleimer. Dann wusch ich die Wunde so gut wie möglich aus und Noah öffnete die Flasche Wasserstoffperoxid, die er in der Drogerie besorgt hatte. Er schüttete ein wenig von der Flüssigkeit auf den geschwollenen Bissabdruck, was ziemlich stark brannte. Wir beobachteten, wie sich auf der Wunde Schaum bildete.
Schließlich tupfte er sie mit einem Papiertuch trocken. Man musste anerkennen, dass er sich wie ein Gentleman benahm. Er versuchte seinen Blick auf meinem Arm zu lassen, was wohl nicht ganz einfach war, da ich meinen knappen lavendelfarbenen Sport-BH trug. »Kannst gern gucken, wenn du willst«, sagte ich. »Als du mich das letzte Mal ohne Hemd gesehen hast, war ich ja noch flach wie ein Bügelbrett.«
»Jocey …«
»Was denn? Ich zeige mich nicht vor jedem Kerl in Unterwäsche.«
»Dann habe ich wohl Glück.«
Er strich eine dicke Schicht entzündungshemmendes Gel auf die Wunde und verband sie. »Halt das fest«, wies er mich an und riss ein Stück chirurgisches Pflaster ab.
Nachdem Noah meinen Arm verarztet hatte, holte ich ein blaues Shirt aus meinem Koffer. Während ich es anzog, sagte er: »Du hast wirklich eine tolle Figur.«
Ich nahm ihn in den Arm. »Danke«, murmelte ich, küsste ihn und genoss, wie er mich ebenfalls küsste.
Dann brachen wir auf, da die Toiletten bei McDonalds nicht gerade der romantischste Ort zum Knutschen waren. Das Nachmittagslicht ließ wegen der dicken Wolken schnell nach, dabei sehnte ich mich in diesem Moment nach warmem Sonnenschein und einem frischen, blauen Himmel.
Als wir wieder auf der Arsenal Street waren,
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