Und weg bist du (German Edition)
den Flur zum Badezimmer. Die Tür stand offen, doch dort war er nicht. Ich sah auch in den anderen Räumen im Erdgeschoss nach und war gerade auf dem Weg in die Küche, als ich leise eine Melodie hörte. Ich erkannte sie als den Klingelton von Noahs Handy und eilte in den vorderen Raum zurück.
Die Musik wurde immer lauter, je mehr ich mich seiner Tasche näherte. Ich sah das Telefon direkt danebenliegen und hatte das Gefühl, ich sollte rangehen, um herauszufinden, wer so früh am Morgen anrief. Deshalb klappte ich es auf und hielt es an mein Ohr. Ich sagte nichts, sondern lauschte nur. Und ich vernahm eine Stimme, die ich nie wieder zu hören geglaubt hatte. »Jocelyn«, rief Jack. »Sieh zu, dass du rauskommst! Schnell!«
Bevor ich noch etwas antworten konnte, war die Leitung unterbrochen.
zweiunddreißig
KAMPF
Ich ließ das Telefon fallen, griff nach meinem Rucksack und sprang in meine Schuhe. Dann hastete ich zur Eingangstür und zerrte an dem Schloss. Das Messer hielt ich noch immer in der Hand. Endlich gelang es mir, die Tür zu öffnen. Draußen regnete es in Strömen.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich fuhr kreischend herum. Vor mir stand Noah, das Gesicht im Dunkeln. Ich riss mich los und versuchte hinauszugelangen, als er mich am Arm packte. »Was tust du?«
Seine Stimme klang so abwesend und distanziert, dass ich mich fragte, ob ich ihn wirklich kannte. Hatte er das Messer unter mein Kopfkissen gelegt?
»Lass mich los!«
»Komm wieder rein und beruhige dich.«
Plötzlich war er wieder der vertraute Noah und Erleichterung machte sich in mir breit. Ich wollte ihn mit mir zerren. »Wir müssen hier raus!«
»Warum?«
»Mach schon!« Meine Stimme klang panisch. »Hol deine Sachen und komm jetzt!«
Ich machte einen Schritt nach draußen und der kalte Regen versetzte mir einen Schock. Jacks Warnung hallte in meinen Ohren nach und ich rannte.
Noah rief meinen Namen. Als ich mich über die Schulter umsah, stellte ich erleichtert fest, dass er mir mit seiner ledernen Laptoptasche in der Hand folgte. Er sprintete, um mich einzuholen.
»Was ist los? Warum bist du so aufgeregt?«
Ein lauter Knall erschütterte die Umgebung und wir duckten uns instinktiv. Als wir uns nach dem Haus umdrehten, sahen wir Feuer. Die Fenster im ersten Stock zerbarsten. Wir rannten weiter, bis wir in Sicherheit waren. Flammen schossen in den Himmel und zischten im Regen.
»Was geht hier vor sich?«, brüllte Noah fuchsteufelswild.
Mir blieb keine Zeit für eine Antwort. Durch die Finsternis kam eine schwarz gekleidete, vermummte Gestalt direkt auf uns zugerast. Ich stieß einen Warnschrei aus und zeigte auf ihn. Noah drehte sich genau in dem Moment um, als sich der Mann abdrückte und seinen Fuß in Noahs Brust rammte. Die Laptoptasche fiel ihm aus der Hand und er taumelte rückwärts. Dann fing er sich jedoch und rannte in Richtung Einfahrt zurück. Der Vermummte jagte hinter ihm her. Noah wirbelte herum und trat seinem Angreifer kraftvoll mit dem Fuß gegen die Schulter. Der Mann schwankte, machte einen Schritt rückwärts und Noah griff erneut an. Dann begann ein Kampf, bei dem Schlag auf Gegenschlag folgte.
Ungläubig starrte ich auf die Szene, die sich vor meinen Augen abspielte. Ich hatte das Gefühl, mich in einem total abgedrehten Traum zu befinden – der schwarze Ninja aus unserer Kindheit war gekommen, um zu kämpfen. Der Angreifer warf sich auf Noah, der ihn jedoch mit einem wuchtigen Schlag abwehrte. Fausthiebe und Tritte von erstaunlicher Genauigkeit wurden ausgetauscht, so dass das Ganze aussah wie ein unheimlicher Kriegstanz. Noah blockte die Schläge des Ninjas ab und teilte im nächsten Moment selbst aus. Einmal bekam er die Hand seines Gegners zu fassen, als dieser gerade ausholte, und bog sie so kräftig nach hinten, dass er ihn in die Knie zwang.
Der Ninja blieb jedoch nicht lange unten. Mit fast übernatürlicher Geschwindigkeit schnellte er wieder hoch und versetzte Noah einige harte Hiebe. Weitere Schläge und Tritte folgten. Der Angreifer wich einem Roundhouse-Kick aus und griff dann selbst wieder an. Noah flog durch die Luft und sein Fuß rammte ins Kinn des anderen. Ihre Bewegungen verschwammen im Regenschleier und ich betrachtete zitternd und fasziniert zugleich die brutalen Stöße ihrer Füße und Fäuste. Wegen des Regens hörte man keinen Laut.
Mehrere Nachbarn waren inzwischen aus ihren Häusern gekommen. Auch ihre Rufe wurden vom Knistern der Flammen und vom Prasseln des
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